Mystery of Life
Im Gegensatz zu Herrn Lehmann hat sein Freund Karl Schmidt immerhin schon mal einen Vornamen. Sein WG-Betreuer Werner sagt immer, um seine Anliegen eindrücklicher zu gestalten: „Karl Schmidt, du musst… Karl Schmidt , du darfst nicht.“ Als Werner in seinen wohlverdienten Urlaub geht, nutzt Karl Schmidt seine Chance: Ein Kumpel aus früheren Berliner Zeiten will mit seinem Techno-Label auf Tournee gehen und sucht einen Fahrer. Da Karl Schmidt stets nüchtern bleiben muss, scheint er der ideale Kandidat für diesen Job zu sein. Für Karl die Feuerprobe: Umgeben von dauerzugedröhnten Leuten soll er keinen Tropfen, keine Pille und keinen Joint anrühren? Doch was ist die Alternative: Bis zu seinem Lebensende mit Ex-Fixern unter der Dauerüberwachung eines Werner verbringen? Karl Schmidt will das Leben endlich wieder spüren und wagt den Ausbruch, wohl wissend, dass das dunkle Gefühls, das sich immer wieder anschleicht und ihn dann umklammert, bis er keine Luft mehr kriegt, ihn jederzeit erwischen kann. Auch wenn die Techno-Freaks, mit denen er da auf Tour gehen soll, nicht nur durch die schauspielerische Doppel-Besetzung starke Ähnlichkeiten mit seiner WG-Genossen haben, genießt er es, endlich eigene Erfahrungen machen zu dürfen. Endlich ist er nicht mehr von einem Werner fremdgesteuert. Doch die Gefahr des Absturzes ist ihm jederzeit schmerzlich bewusst. So begnügt er sich mit Apfelsaft, wenn die anderen die Bierkrüge stemmen. So verzichtet auf den beruhigenden Joint, auch wenn sich das dunkle Gefühl wieder ankündigt. Rosa hilft ihm dabei. Die junge hübsche DJane, die die Techno-Freaks begleitet, schenkt ihm endlich die weibliche Aufmerksamkeit, auf die er so lange verzichten musste. Regisseurin Mona Kraushaar begnügt sich als Ausstattung für ihre Bühne mit drei unterschiedlich großen Containern, die mal als Bett, als Tourbus und mal als Bühne herhalten müssen. Sie vertraut allein auf die Schauspieler um die besondere Atmosphäre des Sven Regener Romans über die Rückkehr des Karl Schmidt im Altonaer Theater entstehen zu lassen. Besonders Alexander Maria Schmidt gibt Karl die sympathisch-bärige Tapsigkeit, die zugleich Stärke und Schwäche verkörpert. Er zeigt einen Menschen, der wahrhaft selbst-bewusst ist: Er geht offen mit seinen Abgründen um und ist sich des Risikos seines Scheitern jederzeit bewusst. So entsteht Lebensklugheit in einer wummernden Techno-Oberflächlichkeit. Am Freitag des Hafengeburtstages hatte das Ensemble es nicht leicht, diese Stimmungen bis in die ziemlich leeren Publikumsreihen hinüber zu tragen. Doch am Ende zeigten die Zuschauern mit umso stärkeren Applaus, dass die Botschaft angekommen war. Birgit Schmalmack vom 11.5.15
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Magical Mystery (Foto: G2 Baraniak)
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