Unter dem Milchwald

Unter dem Milchwald



Hinter der grauen Unscheinbarkeit


Das walisische Fischerdorf namens Llareggub bevölkern lauter einzigartige Charaktere. Diesen hat der Dichter Dylan Thomas in seinem Hörspiel „Unter dem Milchwald“ ein Denkmal gesetzt. Das Münchner Metropoltheater hat unter der Regie von Ulrike Arnold dieses Erzählgedicht in theatralische Bilder übersetzt. Auf der Bühne steht ein grauer Würfel, der an drei Seiten Wände mit einer Tür und einem Fenster hat. In und vor diesem Raum leben, träumen, hoffen und leiden die Bewohner dieses Dorfes am „bibelschwarzen Meer“.
Da ist zum Beispiel Captain Cat, ein blinder ehemaliger Seekapitän, den Tag für Tag seine toten Seekameraden besuchen. Dann quetschen sich alle fünf Schauspieler in den Türrahmen, jeder mit einer Augenklappe versehen. Oder die Besitzerin eines Süßwarenladens Myfanwy Price, die davon träumt, den Tuchhändler Mog Edwards zu heiraten, der ihre Gefühle erwidert, sich ihr aber nur in Briefen nähern darf. Dann verfolgen sie sich beharrlich schüchtern um den Würfel herum, immer darauf bedacht, nie auf derselben Würfelseite zu stehen. Wenn Ehrwürden Eli Jenskins in seinem Bethaus seiner Dichtkunst nachgeht, hängt Lena Dörrie schon mal als Kruzifix an der hinteren Raumwand. Wenn Schullehrerin Gossamer Beynon ihren erotischen Sehnsüchten nachhängt, schlägt Lisa Wagner dabei mit einem kleinen Folterwerkzeug auf ihren erträumten Gespielen ein. Die mehrfache Witwe Mrs. Ogmore-Pritchard (Thomas Meinhardt), erteilt ihren verstorbenen, Händchen haltenden Männern (Markus Fennert, Gerd Lohmeyer) immer noch Befehle, die sich hauptsächlich darum drehen, nur ja kein Stäubchen in ihrem klinisch reinlichen Haushalt aufzuwirbeln.
So geht es zwei Stunden lang durch 47 Rollen. Sie lassen ein Kaleidoskop eines anscheinend so beschaulichen Dorfes entstehen, in dem es aber im Untergrund brodelt.
Der Raum auf seiner Drehbühne versinnbildlicht das bestens. Seine graue unscheinbare Fassade verrät nichts Spektakuläres, doch eine Drehung weiter und er erlaubt Einblicke auf Nacktes, Unzüchtiges und Verborgenes.
Die Übersetzung der poetischen Sprache von Dylan Thomas gelingt Arnold mit ihren fünf wunderbar wandlungsfähigen Schauspielern hervorragend. Da mag man ihnen den ein oder anderen Ausflug ins allzu vordergründige Klamaukige gerne verzeihen.
Birgit Schmalmack vom 20.6.14


Homo Faber (by Richard Becker) Einer der vier Preisträger der Privattheatertage

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