Feministische Hipster-Sitcom
Zwei Wohnungen, vier junge Leute in einer Großstadt. Hin- und hergeworfen zwischen ihren Bedürfnissen, Zielen und Erwartungen. Dabei sind zumindest drei Viertel von ihnen völlig überzeugt von dem, was sie tun oder wollen es zumindest selber gerne glauben. Cassie lebt mit Rose zusammen, die sie im Internet gefunden hat. Während die esoterische und romantische Rose an Elfen, Numerologie und die große Liebe glaubt, weiß die Aktivistin und hundertprozentige Feministin Cassie, dass alle Männer Schweine sind, die nur das Patriarchat für sich ausnutzen wollen. Als Rose von ihrem Zufallsdate Marc völlig hingerissen in Liebeskummer versinkt, weil er sich nicht mehr meldet, fühlt ihre Mitbewohnerin sich bestätigt. Bis sie selbst Marc begegnet. Er ist ein charmanter Womanizer, der ihr sein wahrhaftiges Interesse am Feminismus so lange vorspielt, bis er selbst fast daran glaubt. Zumindest aber so lange, bis er Cassie rumgekriegt hat. Der Vierte im Bunde ist der arbeitslose Ex-Studienfreund von Marc, Tim, der zurzeit in Marcs Wohnung auf dem Sofa logiert. Er verliebt sich in Rose, die in ihm aber nur den Türöffner zu Marc sieht. Der Bühnenraum im Sprechwerk ist in vier Bereiche aufgeteilt. Links das Wohnzimmer von Marc, rechts der Arbeitsraum von Cassie, dahinter das rosa farbene Himmelbett von Rose und in der Mitte das Showpodest. Dort hat auch der Musiker Henrik Demcker seine Wirkungsstätte, der alle Geräusche und Lovesongs live einspielt. Denn Regisseur Anton Pleva interpretiert die Personen aus der Drama-Sitcom von Penelope Skinner ganz richtig als Menschen, die sich gerne selbst inszenieren. Sie spielen eher eine Vorstellung von ihrem Selbst, als dass sie dieses verkörpern. Sie haben als Twenty-Somethings eine Hypothese ihres Lebens entwickelt und versuchen nun die Realität dieser anzupassen. Auch wenn sie dabei ständig auf Hindernisse stoßen. Cassie fühlt sich sehr wohl in ihrer Rolle der überlegenen Theoretikerin, die alle in ihrer Umgebung analysiert. Dass dabei ihr eigenes Gefühlsleben viel zu kurz kommt, erkennt sie erst spät. Marc hat sich ebenfalls sehr bequem in seiner Rolle des erfolgreichen Geschäftsmanns eingerichtet und zelebriert seine Arroganz gegenüber all den Loosern in seiner Umgebung. Rose lebt nur in ihrer Traumwelt, Geld ist für sie ein störendes Beiwerk, dessen Existenz sie auszublenden versucht. Sie ist eine Gläubige, denn ohne den Beistand ihrer Feen und Zwerge würde sie jeden Halt verlieren. Tim dagegen hat gelernt kleine Brötchen zu backen und ist eigentlich nur auf der Suche nach jemanden, der ihm ein Gefühl von Zugehörigkeit geben kann. Erst als Rose den Zusammenbruch ihrer Traumwelt konstatieren muss, erkennt sie, dass Tim genau der ist, der ihr wirklichen Halt geben kann. Skinner hat vordergründig ein rasantes, kurzweiliges und pointenstarkes Stück geschrieben. Doch es jubelt den Zuschauer:innen ganz nebenbei eine Menge feministische Thesen unter, während sich auf der Bühne doch nur der ganz normale Wahnsinn von vermeintlich aufgeklärten Mann-Frau-Beziehungen abspielt, in denen der Gap zwischen Anspruch und Wirklichkeit immer größer wird. Um die kritische Distanz zu dem Geschehen deutlich zu machen, unterlegt Pleva die „witzigen“ Stellen mit einer Lachtonspur aus amerikanischen Serien. Diese Kommentarebene hätte es nicht gebraucht. Dennoch gelingt dank der vier überzeugenden Schauspieler:innen (José Barros Moncada, Julia Kemp, Maximilian Kurth, Naomi O’Taylor) die Balance zwischen Ernst und Comedy. Auch für die griechisch tragische Wendung kurz vorm Ende findet das Team eine gute Umsetzung. Statt es zu spielen wird über diese aus der Erzählerperspektive berichtet. Ein Theaterabend, der geschickt mit Klischeefiguren und Genres spielt, und zeigt, dass Unterhaltung sich auch mit Inhalten paaren kann. Birgit Schmalmack vom 28.12.24
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Eigengrau, Sprechwerk
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