Wenn ich mit der Welt schimpfe, schimpft die Welt zurück Drei Frauen laufen durch Ottensen. Durch Straßen, durch Hinterhöfe, durch Kopfsteinpflastergassen, über Plätze. Sie versuchen ihren Platz zu finden. Immer wieder positionieren sie sich neu, oder versuchen es zumindest. Auch in der Beziehung zueinander. Bis zum Schluss werden sie es nicht schaffen. Denn, so verrät es Nina kurz vor Ende: „Eine Beziehung retten, das kann man nicht.“ Und doch kommen die Frauen nicht voneinander los. Auf dem Kemal Altun Platz wird das zwischen den Bäumen sehr deutlich. Minutenlang umkreisen sie einander, reißen sich immer wieder los, verschwinden schon fast im Dunkeln und kommen dann wieder aufeinander zu, wie magnetisch angezogen. Sind diese Schwestern, sind sie Freundinnen? Das bleibt der eigenen Erzählung im Kopf überlassen. Auch die Zeitschienen, durch diese die drei Frauen hier laufen, ist nicht klar verortet. Sie laufen durch die Straßen und erinnern sich an Zeiten und an Menschen, die hier einst lebten. Namen werden genannt, auf Fenster verwiesen. Immer wieder schwirrt eine Schneiderin durch ihre Erinnerungen: Sie schweige jetzt schon seit acht Jahren. Vielleicht nicht die schlechteste Entscheidung, spekuliert eine der Frauen. Die Drei sind auf der Suche nach der Sonne. Doch ein Zebrastreifen kann keine Sonne finden, wie der Titel des Abends verrät. Die Dunkelheit, die diese drei Frauen wie ein dichter Kokon umgibt, der sie zwar die andere sehen und suchen, aber dann immer wieder an der anderen abprallen lässt, ist an diesem Vorstellungsabend ganz real. Gepaart mit einem Dauernieselregen ergibt das ein perfektes Setting für den performativen Stadtspaziergang, den der Autor Nail Dogan und der künstlerische Leiter Mohammed Ghunaim zusammen mit ihren fantastischen Schauspielerinnen Solomia Kushnir, Roxana Safarabadi und Sinem Süle entwickelt haben. Die Zuschauer:innen, die ihnen mit Kopfhörern auf den Ohren dabei durch Ottensen folgen, werden in ihre Welt hineingesogen. Unter dem bezwingenden Soundtrack von Yazan Al Sabbaghauf den Ohren erblicken sie dieses sonst so beschaulich wirkende Ottensen mit seinen niedrigen Altbauhäusern und Stockrosen an den Häusereingängen plötzlich in einem trüben Licht der Melancholie. Nicht umsonst erinnern einige der im Stück fallenden Namen an die Morde des NSU und nicht ganz zufällig spielt eine der wichtigen Szenen auf dem Kemal Altun Platz, der in Gedenken an Altun benannt wurde, der 1983 aus Angst vor der drohenden Abschiebung in die Türkei Selbstmord beging. „Ich will bei der Nacht schlafen.“ Verloren wirken diese Frauen, ohne Halt. Zu groß ist ihre Einsamkeit und Trauer, als dass sie sich gegenseitig Schutz geben könnten. „Wir tun uns ständig gegenseitig weh“, erkennt Mercedes. All ihre Versuche, zwischen Nina und Fairouzhzu vermitteln, scheitern. Und durch ihre von ihnen erzwungene Parteinahme für eine von ihnen, bleibt auch sie alleine. In einer Welt der Zerrissenheit bleibt jede einsam. Solidarität und Gemeinschaft bleiben so eine Leerstelle. Zu einem tollen Moment während der Performance dieses Abends mit den eigentlich widrigen Wetterbedingungen wird eine Szene im vom Scheinwerfer angestrahlten Sprühnebel: Süle singt hinter dem alten Penny „Vazgeçtim“ von Sezen Aksu, in dem sie davon spricht, dass es Zeit sei zu verschwinden, alles aufzugeben und loszulassen. Und sich dann der Tatsache gegenüber zu sehen, dass man nun einsam und alleine sei. Stimmungsvoller hätte man dies nicht künstlich in Szene setzen können. Eine melancholische Atmosphäre durchzieht diesen Abend, aber durchdrungen von dem ständigen Versuch, sich gegen alle Widerstände zu verknüpfen. Auch wenn Nina zum Schluss alleine in den Schatten der Gaußhöfe verschwindet, ist man sich insgeheim sicher, dass die Drei auch danach noch den Kontakt zueinander suchen werden. Ihre Sehnsucht nach Verbindung und Unterstützung wird nicht aufhören. Eine kleine Botschaft der Hoffnung in Zeiten der Zersplitterung und Fragmentierung im heutigen Deutschland. Birgit Schmalmack vom 28.9.24
|
|
Yol, Thalia Foto: Fabian Hammerl
|