Reparation Nation, Kampnagel

Now it is time to … repair…..to return….


Korkschnipsel bedecken die Bühne. Immer wieder werden die Haufen mit einem Besen zu neuen Mustern zusammengeschoben. Weich ist der Untergrund, aber auch uneben und rutschig. Aus ihm heraus können Gegenstände und Bilder auftauchen und wieder verschwinden. Wie die Schatulle, die die Sängerin Caroline Nkwe zu Beginn auf die Bühne trägt. Was sich in ihr verbirgt, bleibt ein Geheimnis. Doch andere Gegenstände werden sichtbar, in Projektionen auf die Wände der Kampnagelhalle. Masken, Figuren und Köpfe. Sie alle befinden sich zur Zeit in Museen in Deutschland, diese hier insbesondere im MARKK, dem ehemaligen Völkerkundemuseum in der Rothenbaumchaussee. Auch welche Fragen zu diesem Umstand gestellt werden, wird im Laufe des Abends an die Wände projiziert. Von Deutschen geraubt vor über hundert Jahren aus den ehemaligen Kolonien werden die Forderungen nach deren Rückgabe zu Recht immer dringender.
Doch dieser Abend ist im Grundton keineswegs anklagend. Denn Jessica Nupen schafft es stets in ihren Choreographien, ihre Botschaften mit einer Atmosphäre der Lebensfreude, Zuversicht und Gemeinschaft zu umgeben. So auch dieses Mal bei ihrer neusten Arbeit „Reparation Nation“.
Sie führt ihr Publikum mit ihrem tollen Ensemble auf eine Reise durch die vielfältige Kulturlandschaft Afrikas. Die fünf Tänzer:innen bewegen sich in farbenfrohen, ständig wechselnden Kostümen durch Tanzstile und Zeitschienen hindurch. Zulutänze mit wehenden Fransenkostümen, Hiphop und Breakdance zu modernen Beats und Modern Dance zu gemischten Rhythmen (Musik: Sasha Perera). Sie beherrschen alle Stile und kombinieren sie zu einem mitreißenden Mix.
Einer der Performer agiert zugleich als Erzähler und humorvoller Stadtführer durch Hamburg. Oupa Sibeko lässt sich mit einer Statue vor dem MARKK und vor der Bismarck-Statue fotografieren. Natürlich nicht ohne ironische Kommentare dazu abzugeben. Später wird er sich dafür entschuldigen, dass er die Zuschauer:innen mit all diesem belästigen müsse. Sorry… wird er immer wieder anfangen. Um doch nur mit gutem Beispiel voranzugehen. Denn eigentlich sollte sich hier jemand anderes entschuldigen. Was die Sängerin zu dem Lied „It`s hard to say I am sorry“ veranlasst.
Wenn die Tänzer:innen dann an dem langen Holztisch die Verhandlungen um die Wiedergutmachungsbemühungen nachspielen, sich hinterrücks umrunden, sich die erreichten Kompromisse aus der Hand nehmen, sich unter dem Tisch hindurchwinden und sich versuchen über den Tisch zu ziehen, werden die Prozesse illustriert. Zum Schluss gehen alle drei von der Bühne. Nichts ist erreicht, aber die Sakkokragen werden gerade gezupft und die Schultern nach oben gereckt. Hauptsache die Fassade stimmt.
Zum Ende rollen die Performer kleine Tische auf die Bühne. Auf ihnen etliche Teller. Zunächst reichen sie sich gegenseitig ein Stück Kuchen und verzehren es genüsslich vor den ersten Zuschauerreihen. Doch dann werden die Tischdecken gelüftet und weitere Teller kommen zum Vorschein und werden durch die Reihen gereicht. Wer möchte, darf zulangen. Auf der Rückwand erscheinen die Worte: „Not it is time to repair, to return, to….
Eventuell hat man also schon die Holzgabel, die jeder beim Betreten der Halle überreicht bekommen hatte, benutzt. Doch als der Schlussapplaus mit Standing Ovations verklungen ist, meldet sich Sibeko noch einmal zu Wort: Alle sollten jetzt in den hinteren Teil der Bühne kommen und mit ihrer Gabel abstimmen: drei Kartoffel-Netze stehen zur Auswahl, in die man seine Stimmgabel einwerfen kann. Geschickt holt Nupen so zum Ende hin alle Zuschauer:innen in einen gemeinsamen Space und lädt zum Begegnen ein, mit einem zur Bewegung animierenden Sound. Diesem Abend kann man sich kaum verschließen, er lädt mit guter Laune und ansteckender Freundlichkeit ein, ein besserer Mensch zu werden. Wer könnte dazu nein sagen wollen?
Birgit Schmalmack vom 28.9.24


Reperation Nation, Kampnagel Foto: Steve Thomas

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