Machen soziale Medien einsam oder nicht? Das ist die Frage, die die Jugendlichen zum Schluss ihrer Performance auf der ersten Station vor einem Ladengeschäft auf der Veddel auch ihren Zuschauer:innen stellen. Deren Antworten: kommt darauf an... Auch die Performer:innen sahen beides: Soziale Medien stellen nicht nur neue Chancen sondern auch neue Herausforderungen dar. Dazu betreiben sie Tiefenbohrungen in ihrer Psyche: Bin ich einsam, wenn meine Mutter mir das Handy verbietet? Bin ich einsam, wenn der Akku meines Handy leer ist? Bin ich einsam, wenn ich nicht deine Sprache und du nicht meine sprichst? Bin ich einsam, wenn ich nicht weiß, wer ich bin? Bekommt man keine Likes, ist das Gefühl der fehlenden Anerkennung und Verbindung schnell vorhanden. Doch die Vorstellung eines einsamen Wolfes als Alternative ist auch keine Lösung, so lautet die Schlussfolgerung der Jugendlichen. Mit ihrem Drive traut man ihnen glatt die Erkundung neuer Wege zu. Ganz anders wirkt da die zweite Station. Hier erwartet die Zuschauer:innen ein Seminar des neuen Leiters des Ministeriums der Einsamkeit (Jan-Peter Kampwirth). Doch von Engagement und Power keine Spur. Er hat nur trockene Statistiken und Paragraphen parat. Wie er so auch nur die Dringlichkeit seines Angebots deutlich machen will, unklar. Klar wird aber eines: Ein Ministerium mit seinen beamteten Verwaltungsstrukturen wird das Problem der Einsamkeit in einer Gesellschaft auf keinen Fall beheben. Auf der letzten Station wird deutlich, was helfen könnte. In der Modell-Singlewohnung, die hier in dem Kirchenraum der Immanuelkirche aufgebaut ist, wird untersucht, wie Einsamkeit klingt. Wie eine singende Säge, wie ein sich abrollendes Klebeband oder wie eine rufende Trompete, die Signal aus dem offenen Fenster an die Umwelt sendet. Der Bewohner der Modellwohnung (Lars Rudolph) trägt zwar eine akkurat sitzende Krawatte, aber seine Wangenfalten hängen beständig traurig herab. Erst als alle Zuschauergruppen zum letzten Akt, der feierlichen Eröffnung des Ministeriums durch die Ministerin (Bettina Stucky), zusammengefunden haben, hat die Einsamkeit ein Ende: In die Modellwohnung strömen Bewohner:innen aus dem Viertel und geben ihre ganz persönlichen Tipps, wie sich das Leben wieder engagiert gestalten lässt. Durch Vernetzung, durch Gemeinschaft, durch Kontakte. Wenn Leben in der Bude ist, ist die Einsamkeit verflogen. So verleiht die Arbeit des Teams um Regisseur Peter Kastenmüller dem Thema Einsamkeit einen Abend im Scheinwerferlicht, der von allem etwas hatte: Von jugendlicher Power, von lebenserfahrener Reife, von Absurdität, von leichtem Humor, von Kunst, von dröger Beamtenlogik und von bemühtem Politikerin-Sprech. Er balanciert geschickt auf dem schmalen Grat zwischen Selbstironie und ernsten Botschaften. Birgit Schmalmack vom 31.5.23
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