Der Übergang zwischen Überwachung zur Sicherheit oder Kontrolle ist fließend. Sogenannte Sicherheitskameras können sich bei flächendeckenden Einsatz schnell zu einem Instrument des Machtmissbrauches entwickeln. Nur schleichend erkennen die Überwachten wohlmöglich die Beschränkungen ihrer Entfaltungsmöglichkeiten. Genau an dieser Nahtstelle setzt die Arbeit "Color" von Jasmine Fan an, die sie mit ihrem internationalen Team in der Wiese zeigte.
Der große Raum ist frei begehbar. Zwischen drei raumfüllenden Leinwänden werden die Zuschauer:innen zum Teil der Performance. Doch noch ahnen sie es nicht. Die Tänzerin, die sich zwischen ihnen bewegt, hat an einem Arm und einer Hand jeweils eine Kamera, mit der sie Menschen aus dem Publikum aufnimmt und deren Filmaufnahmen auf die Leinwände projiziert. Die Rollen kehren sich so um: Nicht die Zuschauer:innen sind hier die Beobachtenden sondern sie werden unter die Linse genommen. Ganz nahe kriecht das fremde Auge an die eigene Haut heran. Jeder oder jede steht hier unter Beobachtung.
Dabei werden wispernde Stimmen vernehmbar. Noch sind nur einzelne Fetzen zu verstehen. Ein Unbehagen macht sich bemerkbar. Welche Botschaften sollen hier vermittelt werden? Welche Informationen werden gerade nicht verstanden? Doch allmählich werden die Worte klarer. Es geht um eine Geschichte, die sich anscheinend in einem Sexkino abgespielt hat. In dieser Location mischen sich die Übergänge zwischen den verschiedenen Überwachungsmodi noch einmal aufs eindrücklichste.
Dafür lässt die Tänzerin die Kameras nun Teile des eigenen Körpers erkunden und auf den Leinwänden erscheinen. Die Beobachtung wird zu einem erotischen Voyeurismus. Jetzt ist die Tänzerin hinter einer der Leinwände scheinbar ganz privat und dennoch der Begutachtung Preis gegeben.
Zum Schluss dürfen die Zuschauer:innen ihre eigene Wirkungsmacht erleben. Mit ihren kollektiven Bewegungen können sie die Kameras zum Erliegen bringen. Als alle in der Wiese ausgelassen zu einsetzenden Technobeats ihre Arme in die Luft werfen, schalten sich nach und nach die Kameras ab.
Wie Jasmine Fan im anschließenden Artist Talk erläutert, kam ihr die Idee zu diesem Tanzprojekt durch ein autobiographisches Erlebnis. Sie lebte damals in einem Wohnblock auf der Reeperbahn. Als sie eines Abends nach Hause kam, lief direkt vor ihr ein maskierter Mann aus ihrem Block. Als sie die Polizei alarmierte, fand diese heraus, dass der Hausmeister eine Überwachungskamera für den Hauseingang installiert hatte. Doch sie war nur eine von vielen. All die Kacheln mit den anderen Bildschirmen zeigten jedoch das Innenleben der Kabinen eines Sexkinos. So nah können sich Pornographie, Sicherheit und Kontrolle kommen. Eine sowohl inhaltlich, künstlerisch wie ästhetisch sehr interessante Arbeit hat Fan hier vorgelegt, die die Auswirkungen und Konnotationen von Überwachung ganz sinnlich erlebbar macht.
Birgit Schmalmack vom 23.5.23
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Color, Wiese Jasmine Fan
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