Caesar, Schauspielhaus

Warnendes Beispiel



Einigkeit Fehlanzeige. Im Capitol sind sie eigentlich zusammen gekommen um Standpunkte auszutauschen. Doch diese anvisierte Auseinandersetzung findet nur entlang vorgezeichneter Linien statt. Denn woher sollte eine gemeinsame Linie auch kommen? Schon ihre Kostüme (Annabelle Witt) sprechen eine deutliche Sprache. Alle stehen sie für komplett unterschiedliche Richtungen. Der Poet (Yorck Dippe ) in strengem Schwarz. Der Römer Brutus (Josef Ostendorf) in buntem Togagewand, das seine opulente Gestalt noch unterstreicht. Der Stratege Cassius (Sandra Gerling) in schickem Designer Corsagen-Outfit und der Wendehals (Samuel Weiss) in blassem Togashirt zu Pilotenbrille. Eine wahrhafte Auseinandersetzung über Inhalte findet nicht statt. Politische Ziele stehen über alle kulturellen Unterschiede hinweg schnell im Vordergrund und so hat der Strippenzieher Cassius leichtes Spiel. Er kann die anderen überzeugen, dass es nur einen Weg gibt, das Unheil vom Volk abzuwenden. Caesar, der siegreiche Feldherr aber ohne jede politische Führungserfahrung muss daran gehindert werden die Regierung zu übernehmen. Da aber das Volk ihm unbedingt die Krone andienen will und es nur eine Frage der Zeit ist, bis er sie annimmt, komme hier nur seine Beseitigung in Frage. Hinterher könne man leicht dem Volk seine eigene Fehleinschätzung erklären und dessen Gunst wieder gewinnen. Fakten schaffen nennt man das wohl. Doch genau dieser Plan scheitert. Denn ein Mann in diesen Strategiespiel wurde unterschätzt: Caesars Freund Antonius (Bettina Stucky) tritt bei dessen Begräbnis als letzter Redner auf, großzügig von Brutus und Cassius zugelassen, und hält eine flammende Rede an das Volk, die er genau auf Augenhöhe abholt, ohne es von oben herab belehren zu wollen. Antonius kommt im Hermes-Jogginganzug daher. Wie ein Gangsterchef aus einer minder privilegierten Vorstadt der genau weiß, was das Volk, der kleine Mann und die kleine Frau fühlt und denkt. Die Figur des Caesars bietet dagegen Celebrity-Potential an. Sachiko Hara gibt ihn als Politclown. Mit rot angemaltem Gesicht und wallender goldener Robe ist er mehr Showkünstler als möglicher Tyrann. Doch auch dafür gibt es ja in der Realität leider genügend aktuelle Beispiele.
Handlung gibt es bei Regisseur Stefan Pucher nicht mehr. Entweder lässt er diese vom Dichter kurz referieren oder zeigt sie in Form einer Marmorstatue, die anfängt zu bluten. Er reduziert damit das blutige Drama von Shakespeare auf ein theatrales Thesenspiel. Ihn interessiert nicht der Tyrannenmord, ihn interessieren die Auswirkungen eines gefährlichen Populismus, der in Bürgerkriege, Aufstände und Kriege mündet. So wollte Pucher mit seiner Interpretation des Shakespeare Stückes "Caesar" eine warnende Allegorie auf die in Gefahr befindliche Demokratie in Europa auf die Bühne bringen. Die letzte Szene scheint das jedenfalls nahe zu legen. Ein Plebejer, der nur mangelhaft mit einer goldenen Brustpanzer die Figur des vorherigen Wendehalses verbirgt, rezitiert einen Text von Pessao, in dem dieser eine umfassende flammende Anklage gegen ein verspießertes, verkommenes Europa verfasst hat.
Das könnte zwar kaum aktueller sein, bleibt aber auf der Bühne so blutarm, dass nur die Zuschauer:innen angeregter herausgehen, als sie gekommen sind, die bereit sind, die zahlreichen Leerstellen mit eigenen weitergehenden Überlegungen zu füllen.
Birgit Schmalmack vom 16.1.23


Caesar, DSH Oliver Fantitsch

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