Zwangsvorstellungen, BE

Theaterpflicht für alle!

Es beginnt mit Zettel ordnen, Notenständer aufstellen, Tische rücken, Requisiten bereit legen. Scheinbar brav nacheinander treten die beiden Schauspieler:innen zunächst an die Rampe und tragen aus dem vor, was der reiche Absurditätenschatz von Karl Valentin und Liesl Karlstdt so hergibt. Da ist zunächst von einer Theaterpflicht die Rede, die ähnlich der Schulpflicht zum Theaterbesuch verpflichten solle, um die leeren Theater zu füllen. Dann tagt der Verein der Katzenfreunde und die Vorsitzende (Becker mit Katzenschwanz) stellt alle an den Pranger, die die Frechheit besessen haben, zu diesem so wichtigen Ereignissen nicht gekommen zu sein. Es folgen ein Liebesbrief an die Geliebte, die nie schreibt, und eine Rede, die nur aus Floskeln besteht und sich jeden Inhalts verweigert. Der naive Bericht einer Tochter, die zum ersten Mal mit ihrer Mutter das Gärtnertheater besucht und sich anschließend darüber beschwert, dass sie sich die Billets hätten sparen können, weil sie später im Bett liegend das ganze Stück geträumt hätten, ist in Beckers Interpretation schon ein guter Vorgeschmack auf das, was noch kommt.
Denn die "Zwangsvorstellungen" im Hof des BE haben eine klare Dramaturgie. Beginnen sie zunächst betont trocken als Lesung, so steigern sich Constanze Becker und Oliver Kraushaar im Laufe der Nachmittagsvorstellung stetig. Wenn Becker sich den Schnurrbart anklebt und zusammen mit Kraushaar in den ersten absurden Schlagabtausch einsteigt, erreicht die vergnügliche Stunde ihren ersten Höhepunkt. Die Kommunikation zwischen zwei Männern über eine zu Unrecht erhaltene Ohrfeige, die sich als gute Möglichkeit zum Geldverdienen für den vermeintlichen Otto Keilhuber entpuppt, die der falsche dem echten gegönnt hätte. Eine Übung in unlogischen Zirkelschlüssen, die Valentins und Karlstadts unübertroffenen Humor bestens spiegelt.

Wenn sie dann in eine Endlosschliefe eines Dialogs über die harmlose Frage, ob der andere Zeit habe, um irgendwo hingehen, münden, kommt die humoristische Stunde noch weiter in Schwung. "Da wäre er schon gewesen." "Ja dann, Zeit ist schließlich Geld." "Nein, Zeit habe ich genug, nur eben kein Geld." "Ja, dann könne er doch mitkommen…."

Als sie dann auch noch "ganz hohe Kunst" als krönenden Abschluss ankündigen, ahnt man, dass dies direkt in die Dada-Welt entführen wird. Da kennt die Absurdität keine Steigerungsmöglichkeit mehr und es ist konsequenterweise Schluss mit der Wortverdreherei. Tolle Leistung, die direkt am 139. Geburtstag von Karl Valentin genossen, eine würdige Begehung seines Ehrentages war. Ein kleines Schmankerl, das auch die komische Seite der beiden Vollblutschauspieler:innen voll zur Geltung bringt.

Birgit Schmalmack vom 10.6.21


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