Auf meinen Schultern, Ballhaus

Gegen die Schwerkraft des Rassismus



Das N-Wort war für die Lehrer*innen kein Problem. Dagegen wurde der Schwarze Schüler zum Problem, als er sich gegen die ständigen Beleidigungen eines Mitschülers schließlich wehrte. Zum Glück hatte er immer seine Mutter an seiner Seite. Die untrennbare kleinste Nukleareinheit der Liebe, die er bei ihr erlebte, gab ihm letztendlich die Kraft sich gegen die erdrückende Schwerkraft des Rassismus zu erheben.
Nach diesen Erfahrungen auf der Grundschule war für Raphael Hillebrand klar: Auf dem Gymnasium würde er als der Starke auftreten. So wurde er zu einem "Bulli". Er scharte seine Gang um sich, um sich zu schützen.
Gewalt war seine Lösung, auch wenn seine Eltern ihn bei jeder Anzeige mit dreistündigem Gespräch und Hausarrest traktierten. Knapp vor der Strafmündigkeit bot sich ihm eine neue Lösung an: der Hip-Hop- Er wurde ein B-Boy. Statt einer Gang hatte er nun eine Crew und lernte neue Regeln kennen und schätzen. Love und Teamarbeit ohne Hierarchie boten ihm einen Ausweg aus der Gewaltspirale, die er nachträglich als Krankheit diagnostiziert. Sie infiziere alle und breite sich unkontrolliert aus.
Dieses Credo will er nun an seine kleine Tochter weitergeben. Denn auch sie wird als schwarzes Kind in einer weißen Mehrheitsgesellschaft aufwachsen.
Er zeigt seinen durchtrainierten schwarzen Körper. Seiner Stärke, seinen Muskeln, seinen Knochen und seinem Kopf hat er es zu verdanken, dass er seine Balance gefunden hat, die er nun weitergeben will. Im Duett mit dem Cellisten Eurico Ferreira Mathias erzählt er in seiner Tanzperformance von seinen Erfahrungen, demonstriert sie in gebreakten Szenen, wirbelt auf dem Boden durch seine Biographie und kreiert mit Hilfe einer innovativen Kameraführung die Vervielfachung seines Selbst und seiner Botschaft. Ganz ohne erhobenen Zeigefinger blickt Hillebrand auf seine Vergangenheit und die Zukunft der nächsten Generation. Sympathisch, persönlich, humorvoll und ehrlich schafft er es, dem Aufstehen gegen den Rassismus Bilder zu geben.
Birgit Schmalmack vom 5.11.20


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