"Eins zu eins" ist das Motto des Festivals in der Alten Münze. Dieses Verhältnis war im Zuge der Wiedervereinigung der Umtauschkurs der DDR- zur D-Mark. Und damit 30 Jahre her. Die Organisatoren Bastian Sistig und Max Brands fanden, das wäre ein guter Anlass Künstler*innen einzuladen, über die wohlmöglich vergessenen Geschichten der DDR nachzudenken und an sie zu erinnern. In der alten Münzprägeanstalt der DDR in Berlin Mitte in der Molkenstraße fanden sie den idealen Ort dafür. Hier kann man sich nun an vier Tagen auf eine Reiseroute durch 28 Stationen in sechs Räumen begeben. Der gestrige Eröffnungstag am 7.10. zeigte schon, welch vielfältige Einblicke geboten werden. In der Verpackungshalle begleitete man Avatare durch die Erzählungen ihrer DDR-Kindheit und Jugend, indem man dazu einen Erinnerungsgegenstand in die Hand nahm. Stellte man ihn auf das Regalbrett der Videostation, fing der Avatar an zu erzählen. Die Installation von Caroline Creutzberg mit dem Titel "Wabe () Ost" erlaubte mit ihrer künstlerischen Verfremdung Distanz und Nähe zugleich. In der Zählhalle konnte man in den Dokumentarfilmaufnahmen der "Madgermanes" von Malte Wandel erfahren, welche Erfahrungen die mehr als 16.000 Mosambinkaner*innen erleiden mussten, die als Vertragsarbeiter*innen in die DDR zwischen 1979 und 1990 gekommen waren. Lohn blieb man ihnen bis heute bis zu 60% schuldig. In derselben Halle hängt Birgit Breuel an der Wand, die Chefin der Treuhand. Doch nicht als Foto sondern als Ölgemälde, hinter ihr das abgewickelte Kaliwerk in Bischofferode. Vor ihr zwei Stühle, einer mit flauschigem Pelz bezogen und einer aus hartem Stahl. Die Künstlerin Henrike Naumann nimmt damit Bezug auf ein Gastgeschenk der Vereinigten Emirate, das sie jedoch geschickt umdeutet. Am Donnerstag wird Olivia Wenzel aus "1000 Serpentinen Angst" lesen und anschließend über ihre Erfahrungen als Schwarze in der DDR sprechen. Um die schwere Erkundung der eigenen Identität geht es auch in dem Dokumentarfilm "Becoming Black", von Ines Johnson-Spain, der am 10.10. laufen wird. Ein weißes Ehepaar in der DDR behauptet gegenüber seinem schwarzem Kind, dass seine Hautfarbe reiner Zufall sei. Am Freitag zeigt Lunatics die Sprechtheaterinszenierung "Blühende Randschaften *Stahl", in der es um die Biografien der Mitarbeiter*innen des Stahl- und Walzwerkes Brandenburg geht, das abgewickelt wurde. Das Theaterkollektiv aus Berlin erforscht was bleibt, wenn ein Industriestandort verschwindet. Doch neben Kunstinstallationen, Filmen, Lesungen und Theateraufführungen gibt es auf "Einszueins" auch Gespräche, Performances und Musik. So spielte gleich am Eröffnungstag "Nadelohr". Das Duo Jonas Petry und burgund t brandt widmete sich dem Zwischenräumen zwischen elektroakustischer und postserieller Musik. Der Besuch in der Alten Münze lohnt also auf jeden Fall. Und er macht Freude. Denn das umfangreiche Programm ist nicht nur äußerst klug, vielfältig, informativ, hintergründig und abwechselungsreich ausgewählt, sondern auch das Ausstellungsdesign glänzt mit ausgesucht schöner Ausstattung, intelligenter Besucherführung und klarer Aufmachung. Birgit Schmalmack vom 7.10.20
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Einszueins Alte Münze
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