Wie geht Hochkultur und Autowerkstatt zusammen? Kann man zwischen Bremsstation und Schweißgerät Ballett tanzen? Im Werkzeugschrank liegt "Der kleine Unterschied" von Bourdieu, zwischen Hebebühne und Altölstation wird spontan eine Arie aus "Figaros Hochzeit" gesungen. Wenn Verena Brakonier in Ihrer Auto-Fiktion untersucht, wie die Herkunft die Bewegungsmuster einer Tänzerin prägt, bebildert sie mit leichter Hand den aktuellen Diskurs um Klassismus. Aus einem Eisenrohr hatte ihr Vater in seiner Autowerkstatt mal eben eine Ballettstange geschweißt. In unter und um ihr erstes Auto herum erinnert sich Brakonier in der Werkstatt Altona nun an die Zeit, als sie mal einen Walkman, ein Et-Kuscheltier, einen Bewegungsdrang und eine Kindheit hatte. Andere hatten später vielleicht schon ein festes Einkommen, sie dagegen ein Stipendium, eine Förderung oder Hartz 4. So bewegt sie sich souverän zwischen den Welten und verbindet sie. Sie lässt die vermeintlichen Gegensätze gegen einander knallen, ineinander fließen und nebeneinander stehen. Sie stemmt den Lautsprecher wie ein Gewichtheber, sie bewegt sich wie ein hydraulisch angesteuerter Roboter, um gleich darauf in harmonische Ballett Schwünge zu münden. Sie wirkt in beidem wie in ihrem Element. Mit zarten Humor ergründet sie etwas, was ihre Kindheit hätte sein können. Sie lässt bewusst offen, was biografisch oder erfunden ist. Sie spielt nicht nur mit den Ebenen der Kultur sondern auch mit denen der Fiktion. Zwischendurch hatte sie ihren früheren Lieblingssong verraten. Er bildet den selbstironischen Abschluss. Es ist der Schunkelschlager "Butterfly". Zum dem springt und schwingt sie mit weitem Umhang wie ein schillernder Schmetterling unter ihrem Auto hin und her, das derweil lila erleuchtet seine offnen Türen wie Flügel über ihr ausbreitet.
Birgit Schmalmack vom 17.6.22
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Auto-Fiktion von Verena Brakonier
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