Emotionen auf drei Etagen
Max Goldt verfügt über eine exzellente Beobachtungsgabe von gesellschaftlichen Trends des Alltags. So hat er in Deutschland eine allseitige Aufwertung der Emotion ausgemacht. Goldt wundert sich, wenn neuerdings überall Emotionen, sogar praktischerweise gleich auf drei Etagen komprimiert, angeboten werden. Inspirationen findet er selbst jedoch nur aus stillen Momenten und keineswegs in drei-etagigen Möbelkaufhäusern oder Schuhregalen. Goldt hat ebenfalls Bemühungen die Pyrotechnik zu legalisieren beobachtet, damit die deutschen Feierwütigen endgültig jedes der vielen „Non-Events“ mit dem ihnen gebührenden Knalleffekten feiern können. Schon jetzt seien die S-Bahnen nach allen Massenveranstaltungen großräumig zu umgehen um keinen Knallkörperbewegten mit voller Pyrobewaffnung in die Hände zu fallen. Dann macht er sich seine süffisanten Gedanken über die Unmöglichkeit einer kritischen Loriotbiographie. So lange er auch recherchiert habe, er hätte keinen Anknüpfungspunkt für einen kritischen Punkt in dem Lebenswerk des anscheinend über jede Kritik erhabenen Komödianten gefunden. Schon 1994 hat Goldt die Erfindung der gesalzenen Schokolade vorhergesehen und damit bewiesen, dass der Kreativität des Menschen tatsächlich keine Grenzen gesetzt sind. Er erwägt, ob er nicht unter die Buchautoren gehen solle. Beispielsweise einen Ratgeber für Photographie könnte er verfassen. Doch dann entscheidet er sich doch lieber für die Kurzfassung seiner Tipps: Er regt an, dass vor allen Sehenswürdigkeiten mietbare Extrempassanten zur Verfügung stehen sollten, denn erst diese Fotozutaten gäben der miefigen Backsteinkirche im Hintergrund einen Grund um sie nach Jahren wieder anzusehen. Ansonsten sollte man wenigstens einen Mülleimer mit ablichten, um die Allerweltfotos durch etwas Lokal- und Zeitkolorit interessant zu machen. King–Kong in Flip-Flops beim Verticken von Tic-Tacs ergibt bei Goldt ebenfalls eine passable Kurzgeschichte. 40 mögliche Antworten für neue Akzente in den immer gleichen Talkshowabläufen gibt er im Schauspielhaus gratis mit. Auch der Warnemünder Reisebericht mit Beobachtungen der autochthonen Menschen mit Sesshaftigkeitshintergrund und ein Essay über die Vorzüge der Verachtung bringen Goldts Sinn für die liebevoll-boshaften Seiten seines Humor immer gepaart mit einer Gabe der intelligenten Wortdrechslerei bestens zur Geltung. Goldt ist ein intelligenter Unterhalter der den Geist seiner Zuhörer nie beleidigt aber auch nie überfordert, was er mit seiner Lesung im prall gefüllten Schauspielhaus wieder einmal unter Beweis stellte. Birgit Schmalmack vom 28.12.11
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