Abrechnung mit der Vergangenheit
Adom verschlägt an den Ort seiner Kindheit und Jugend. Ein Festsaal, in dem ein Fest zur deutsch-polnischen Vereinigung stattfinden soll, empfängt ihn. Die Gürkchen, das Bier, die Fahnen sind zwar schon da, aber das Festprogramm hat noch nicht angefangen. Sofort überfallen Adom die Erinnerungen, die dieser Ort in ihm hervorrufen. Die Streiche mit seinen Dorfkumpanen, die Ermahnungen des Bauern Nicolai, die allgegenwärtige Beobachtungen durch das Dorf, die katholische Indoktrination, die schwierige Identitätsfindung in dem Auf und Ab der polnischen Geschichte, die fehlenden sexuellen Entfaltungsmöglichkeiten, die Abwesenheit des Vaters und die Bewachung durch die Mutter. All das bricht sich Bahn in einer Eruption der Worte, der Sätze, der Geschichten, die aus Adom hervorquellen. Fantastische Anteile mischen sich mit möglichen Wahrheiten, Träume mit Erlebtem, Horrorszenarien mit Wunschvorstellungen. Ein Ausbruch zu neuen Möglichkeiten scheint möglich, doch der erlösende Tato (Papa) bleibt aus. Janning Kahnert gibt den polnischen jungen Mann mit Schnauzbart, Aktentasche, billiger Jeans und Lederjacke zugleich hemdsärmelig und mysteriös. Er setzt sich auf freie Plätze zwischen die Zuschauer in der Kantine des Schauspielhauses und sucht nach Einverständnis mit seinen wechselnden Nachbarn, inklusive Schulterklopfen, das zustimmende Reaktionen einfordert. Er überschüttet sie mit einem Redeschwall, der sie in Fantasiewelten führt. Nie reißt der Kommunikationsfaden zwischen Publikum und Adom ab, obwohl seine Erinnerungsketten immer abstruser werden. Kahnert schafft es spielend unter der einfallsreichen Regie von Johannes Wenzel, die Aufmerksamkeit seiner Zuschauer für den Theatermonolog von Przemek Zybowski zu fesseln, so dass sie ihm auf alle seiner verschlungenen Pfade der Vergangenheitsbewältigung bereitwillig folgen. Birgit Schmalmack vom 1.11.11
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