Anne, Sprechwerk

Ich fühle mich so hözern


Wie spricht eine Lampe mit einem Schrank? Ganz einfach: Die Schreibtischlampe (Kai Fischer) bewegt ihre zahlreichen Glieder hektisch mit ihrem flackernden Schirm auf und ab und der riesige Holzschrank steht unbeweglich da während über ihm ein Schweinwerfer im Takt seiner Sätze an und aus geht. Wie geht es dir? fragt die Lampe. Ich fühle mich hölzern und leer. Und ich fühle mich oft so abgeschirmt und manchmal einfach ausgeknipst.
In dem Schrank sitzt Anne (Franca-Rosa von Sobbe). Sie hat sich in ihrem Refugium eingerichtet. Nur hier fühlt sie sich sicher. Zum Rausgehen fehlt ihr meist die Energie und der Mut. Wenn sie mit der Lampe zaghaft das Gespräch wagt, dann nur weil sie bei ihr auf Verständnis hoffen darf. Beide sind sie betroffen von ihren Krankheiten. Die von Anne nennt man Depression. Wird sie am Schluss den Mut finden in die Klinik zu gehen und sich dort helfen zu lassen? In ihrem Schrank wirft mittlerweile eine Diskokugel glitzernde Muster auf die Innenwände. Denn sie weiß: Ich werde eine andere sein, wenn ich endlich wieder herauszutrete.
Die Azubis wagen mit ihrer neusten Produktion ein Tabuthema auf die Kinder bzw. Familientheaterbühne zu bringen. Sie kombinieren mit gewohnt leichter Hand Informationen, Bilder, Aufklärung, Witz und Geschichten. Mit einem Pop-Up-Bilderbuch erzählen sie die Geschichte einer Familie von vier Geschwistern, in der jeder von ihnen seine ganz speziellen Eigenheiten hat. Doch während sich die drei Jungs mit ihren Wutausbrüchen, Ekelattacken oder durchsetzen können, verschwindet ihre stille Schwester derweil im Keller. Wie eng sie alle dennoch zusammenhängen, wird klar, als durch ihre Tränen das ganze Haus fortgespült wird.
Als Anne zum Abendessen gerufen wird und partout keinen Hunger hat, zeigt das Gemetzel, dass sie mit ihrem als Haus dekorierten Brot angerichtet, ganz ohne Worte, wie verzweifelt sie und wie machtlos ihre Familie bei all ihrem guten Willen ist. Die volle Wucht dieser Emotionen werden bei "Anne" zwar nur angedeutet, erlauben aber dennoch eine bitter nötige Auseinandersetzung dieser Krankheit, die gerade in diesen deprimierenden Zeiten auch unter Kindern an Brisanz gewonnnen hat.
Birgit Schmalmack vom 28.2.22


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