Dieser Satz des Motivations-Coach und Bestsellerautors Hermann Scherer dient den vier morgendlichen Durchstartern (Angelika Reiswich, Christoph Plöhn, Malin Uschkureit und Dominique Marino) wie eine Beschwörungsformel, während sie ihre morgendliche Waschung vornehmen. Sie kippen sich zur Abhärtung einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf und führen ihre Rituale zur Wachwerdung gewissenhaft durch. Dabei befinden sie sich mitten in einer Müllhalde. Überall um sie herum sind Müllsäcke verstreut. Aus einigen stellen sie ihre Garderobe zusammen. Natürlich ein weißes Sportoutfit, denn für die heutigen Generationen, die es zu etwas bringen wollen, ist Fitness oberstes Gebot. Doch was sind eigentlich diese Störfaktoren, die anscheinend ihren Weg ganz nach oben behindern? Liegt es vielleicht daran, dass sie an dieses Ziel gar nicht glauben können, dass sie in seiner Erstrebung keinen all umfassenden Sinn mehr sehen können? Weil dieses sie nur noch als Humankapital ansieht und damit den Wert des Menschen an sich komplett in Frage stellt? Lässt sich so etwa Glück erreichen? Indem man sich ganz der Maxime der Geldvermehrung unterordnet um dann das gewonnene Geld für Sachen ausgibt, die man eigentlich gar nicht benötigt? Die einen im Gegenteil in ihrem Überfluss eher belasten. Während eine Performerin diesen Gedankengang reflektiert, laden sich die die Drei anderen immer mehr Kleidungsstücke aus den Müllsäcken auf ihren Körper und werden immer unflexibler. Als die Performerin zu dem Schluss kommt, dass dieser Konsum nicht glücklich machen könne, werfen sie auf einen Schlag alles zu Boden.
Das Ensemble Hieb& Stichfest versucht in seinem neuen Stück unter der Regie von Dominique Marino den Wert des Individuums zu ergründen. Sie beleuchten alle erdenklichen Ecken dieses Themenkomplexes. Kaum eine persönliche, philosophische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Frage sparen sie im Laufe ihrer intensiven Gedankenreise aus. Sie finden dabei zwischen ihren Müllsäcken Bilder, die ohne viel Aufwand und dennoch punktgenau in Szene gesetzt sind. Ein intensiver Auseinandersetzungsprozess, der die schwierige Sinn- und Wertesuche in eine intelligente, gut gemachte und abwechselungsreiche Bühnenperformance übersetzte. Eher ein Zuviel als ein zu wenig an Gedanken und Ideen präsentierte das Ensemble hier. Manchmal schien es fast so, als mochten sie kein Ende finden bei ihrem gerade so schön in Schwung gekommenen diskursiven Gedankenspielen. Zum Schluss ziehen sie sich in ihr Zelt zurück. Vielleicht einfach einen Porno gucken und sich es selbst ein wenig gemütlich machen? Der Rückzug ins Private scheint für den Moment die pragmatischste Lösung, wenn die große gesamtgesellschaftliche nicht gefunden werden kann.
Birgit Schmalmack vom 17.12.21
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