Meta-Oper
Acht Brecht-Klone stehen auf der Bühne. Alle haben sie ihre Schiebermütze auf dem kurzen Pottschnitt und stecken in der blauen Arbeitermontur zu weißem Unterhemd und Hosenträger. Die dicke Zigarre hüllt sie alle immer wieder in dicke Rauchschwaden. Ansonsten ist die Vorstellungskraft der Zuschauer gefragt. Jede Bühnendekoration ist hier nur Behauptung und Konstruktion. Die Schauspieler sind immer zugleich Autor, Kommentartor und Figur. Der Brechtsche Verfremdungseffekt entsteht hier so spielend. Der Bettler-Geschäftsmann Peacham baut sein Geschäft ausschließlich in der Fantasie der Zuschauer auf. Jörg Pohl springt von der Brechtschen Intonation spielend leicht in die Rolle der Bettler-Marketingexperten. Als seine Tochter Polly (Katharina Marie Schubert) den Gauner Mackie Messer (Sven Schelker) heiraten will, hat seine Frau (Victoria Trauttmansdorff) einen todsicheren Plan: Sie will Mackie an seiner sexuellen Hörigkeit packen. Die von ihm besuchten Huren (Franziska Hartmann) sollen ihn verraten und an die Polizei ausliefern. Zunächst scheint der Plan aufzugehen. Als Songrevue mit Rahmenstory ist die Dreigroschenoper bekannt. Doch Regisseur Antú Romero Nunes nutzt sie neu, und zwar als Reflexionsgrundlage für den Brechtschen Theaterbegriff. So hütet er sich geschickt vor jeglicher klischierten Armutsromantik und legt über die Geschichte eine weitere Ebene. Vor dieser Folie scheinen die Songs und die Figuren noch besser zur Geltung zu kommen. Dass sie nicht beschädigt sondern ganz ernst genommen werden, liegt natürlich nicht zuletzt an den hervorragenden Schauspielern, die selbst in dieser Reduktion ihren Figuren Ausstrahlung und Persönlichkeit zu geben vermögen. Wie kritisch Nunes das plötzliche Happy End der Schlussszene sieht, macht er durch einen Ausstieg aus der Abstraktion und den Einstieg in den Kostümfundus deutlich. Plötzlich trabt ein echtes Pferd auf die Bühne, die Uniformen, Lackschuhe und Rüschenröcke prunken und ein Götterbote verkündet Meckies Begnadigung. Ein schöner Kommentar ganz ohne Worte zur Deus-ex-Machina-Methode, die Brecht hier dem Publikumsgeschmack zuliebe anwendet. Birgit Schmalmack vom 29.9.15
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