Die Nacht kurz vor den Wäldern

Die Nacht kurz vor den Wäldern

Immer Fremder, immer fremder

Tänzelnd erzählt der Mann, wie sich in seiner Umgebung die anderen amüsieren und das Leben genießen. Ihm gelingt das nicht. Ihm ist klar, wie wenig feiernswürdig sein Leben ist. Sein Tänzeln wird erst zu einem Stolpern dann zu einem Straucheln.
Der Namenlose und Heimatlose läuft durch die Stadt, immer auf der Suche nach etwas, an dem er wenn auch nur für ein paar Stunden festhalten kann. Mal ist eine schöne Frau, mal eine Nutte, mal ein „Kamerad, den er anhaut“. Ihm erzählt er von seiner großen Idee: Der internationalen Gewerkschaft. Doch so recht mag er selbst nicht daran glauben. Denn wo sollte er, der immer ein Fremder bleiben würde, die Kraft und Zuversicht für eine große Bewegung hernehmen?
Heiko Raulin zeigt ihn gleich zu Beginn schon mit einem Hauch Angeschlagenheit. Auch wenn er in feinem Zwirn, Hemd, Krawatte und Intellektuellen-Brille daherkommt, steht er unbeweglich da, halb in Schräglage am Bühnenrand. Nie überschreitet die beiden weißen Linien auf dem Boden, die ihm seinen festgesetzten Platz in dieser Gesellschaft zuweisen. Starr starrt er auf die flackernde Neonröhre, die in unregelmäßigem Rhythmus ihr Licht ändert. Unter ihr ist im Halbdunkel eine Lache zu erkennen. Wie sich später rausstellen wird: eine Blutlache. Der Namenlose wird zusammengeschlagen von zwei Halbstarken. Als er am Boden liegt, spult das kleine Diktiergerät verzerrt Teile seines Berichtes ab. Die Unordnung seines Lebens, die er mühsam in Griff zu bekommen versuchte, hat die Überhand bekommen. Sie hat ihn niedergestreckt und kleingemacht. Als er sich zum Schluss noch einmal aufrappelt und den Blick hebt, ist in seinen Augen nur noch Angst zu erkennen.
Matthias Jochmann hat zusammen mit Raulin aus dem Text von Benard-Marie Koltes einen intensiv-beunruhigende konzentrierte Stunde gemacht. Die eigenwillige Lichtregie von Susanne Ostwald trägt entscheidend zur verunsichernden Stimmung bei.
Birgit Schmalmack vom 24.9.12


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Abendblatt 
 
 

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