Grau in grau
Düster und eng ist es in diesem Haushalt. Zwei graue Wände mit zahlreichen Türen lassen nur einen schmalen Zwischenraum frei. Da sie sich ständig verschieben und stets Türen öffen und schließen, gibt es weder Frei- noch Rückzugsraum. Auch nicht für die beiden erwachsenen Kinder Felix (Alexander Absenger)und Johanna (Alma Hasun ). Der Herr Vater ist Direktor der Wiener Kunstakademie, ein "Kunstbeamter", wie er sich selber nennt. Der Sohn Offizier und die Tochter bisher die Pflegerin der todkranken Mutter. Sie flüchtet sich in eine ausweglose Liebe, und zwar zu dem wesentlich älteren Dichter Stefan von Sala (Bernhard Schir). Als das bisher sorgsam gehütete Geheimnis der Mutter (Therese Lohner) offenbar wird, bricht für Felix eine Welt zusammen: Plötzlich sieht es sich mit der Tatsache konfrontiert, dass der Künstler und Freund des Hauses Julian Fichtner (Ulrich Reinthaller) sein eigentlicher Erzeuger ist. Die Inszenierung lässt sich zeitlich kaum einordnen, denn so viel stilles Erdulden und so wenig Aufbegehren der Frauen wirkt heute überholt. Doch den übergroßen, selbstgefälligen Künstler-Egos von Sala und Fichtner verfallen die Frauen allesamt. Neben der Mutter und der Tochter auch noch eine weitere frühe Geliebte des Malers, die Schauspielerin Irene Herms (Maria Köstlinger). Wiederum waren schluchzende Männer zu Zeiten Schnitzlers wohl eher selten. Die slowenische Regisseurin Mateja Koleznik lässt diese Familiendramen dieser nach außen so wohl geordneten Familie ohne große Eruptionen spielen. Keine Aufschreie, keine Szenen, nur leises Weinen, stilles Verschwinden, verdecktes Leiden erlaubt sie den Personen. Das starre Konzept und die starke Kürzung des Textes lässt die psychologischen Abgründe dieser Frauen und ihrer männlichen Gegenstücke mehr erahnen, als dass sie zu sehen und zu hören sind. So grau wie ihr bildungsbürgerliches Leben so grau ist auch ihr Leiden und Sterben. Arthur Schnitzler, der sich in diesen Kreisen aus eigener Erfahrung bestens auskannte, schrieb einen Text, der hinter die Fassaden blicken ließ. Doch das Mitleiden mit diesen grauen, einsamen Personen fällt schwer; zu wenig Gefühl dürfen sie auf der Bühne offenbaren. Man betrachtet das Geschehen eher wie aus weiter Ferne. So bleibt das Bühnenbild der zwei, sich verschiebenden Türwände fast mehr in Erinnerung als das Schauspiel dazwischen. Birgit Schmalmack vom 4.6.19
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