Furor, Thalia

Zur Kritik von

Abendblatt 
theaterkompass 
 

Furor, Thalia


Was will der kleine Mann?
Geld oder Revolution? Rache oder Gerechtigkeit? Zumindest einmal sich als der Mächtige fühlen! Nun sieht Jerome (Steffen Siegmund ) die Gelegenheit dazu gekommen. Der Sohn seiner Tante (Victoria Trauttmansdorff ) ist von einem Politiker, der Bürgermeister werden will, angefahren worden und wird wohl den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen müssen. Jetzt hat sich Heiko Braubach (Tim Porath ) zu einem Krankenbesuch bei der Tante angemeldet und steht dem (nach Selbsteinschätzung) "harten Verhandler" Jerome gegenüber. Ein Gefecht zwischen einem Vertreter des Prekariats und einem Vertreter des Systems beginnt, in dessen Verlauf sich die Fronten immer wieder verschieben. Schließlich sitzen sie beide zusammen in dem Schaum der übergelaufenen Waschmaschine, die in der schmalen Wohnung der Tante mitten zwischen den wenigen Stühlen steht.
Überschäumende Diskussionen mit Vorwürfen, Anklagen, Todesdrohungen, Erpressungsversuchen und Angeboten haben sie sich geliefert, aber kein klares Ergebnis gefunden. Lutz Hübner und Sarah Niemetz haben ein höchst aktuelles Stück zur derzeitigen Suche nach Lösungen für das immer weitere Auseinanderklaffen der Einkommensschere geschrieben. Es beschäftigt sich mit einem möglichen Aufstands der Abgehängten gegen ihre Feinde, gegen die Politiker, die die Bodenhaftung schon lange verloren haben und in einer komplett anderen Erfahrungswelt leben. Der kleine Mann Jerome hat viele berechtigte Forderungen. Der Politiker macht zwar viele wortreiche Versprechen an sein Wählervolk, kennt aber die Hindernisse zu ihrer Umsetzung nur zu gut. Ein anregendes Stück, das aktuelle Diskussionen geschickt aufgreift. Unter der Regie von Helge Schmidt wurden allzu zeitgeistige und einseitige Interpretationen klug vermieden, indem er die Personen immer wieder aus ihren Rollen aussteigen lässt. Dann werden sie zu Figuren in einem Musical, die ihren Text vor sich hinträllern. Was wäre das Leben einfach, wenn es wie ein Musical gestrickt wäre. Dann würde das Versprechen einfacher Lösungen direkt in ein Happy End münden! So muss die Diskussionen aber weiter gehen, am besten in direkter Auseinandersetzung wie in diesem Stück.
Birgit Schmalmack vom 7.3.19


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