Die Einsager im Kopf
Kasper ist da, ist er aber auch hier? Mit diesem Wortspiel springt Jörg Pohl in den heutigen Abend in der Garage des Thalia in der Gaußstraße. Über fünfzig Jahre hat Peter Handke Stück "Kaspar" auf dem Buckel. Jörg Pohl untersucht unter der Regie von Leonie Böhm den Text aus den Sechzigern von Handke auf seine mögliche Heutigkeit. Dabei geht es um Fragen wie diese: Ein Mensch soll ein Teil der Gesellschaft werden, doch will er sich auch dafür einpassen lassen? Er soll die Worte zur Verständigung lernen, doch will er sich darauf einlassen? Will er erlernen, warum der Stuhl ein Stuhl ist? Wann er ein Stuhl ist? Oder wann nur ein Bild von einem Stuhl? Wann ist ein Ich ein Ich oder nur das Bild von einem Ich? Macht es einen Unterschied, ob Schnee nur der weiße eisige Stoff ist oder für alles Weiße steht, weil er das Wort für den Inbegriff alles Weißen hält? Wie bilden sich die Vorstellungen von der Welt? Erst durch Sprache oder durch die Bilder? In der Interpretation von 2018 ist der Text nicht mehr das Zeugnis der Sprachfolterung, das sich Handke 1968 vorstellte, sondern eher eine hintergründige und sprachgewaltige Comedy-Vorstellung. Hier sind die Einsager, die bei Handke den Kaspar zurechtstutzen sollen, schon längst in Kaspars Kopf implantiert. Sie sind seine Einflüsterer und damit nicht weniger nervig, aber eventuell leichter zu reflektieren. Das macht er zusammen mit dem Musiker Johannes Rieder, der mit seiner Gitarre in Fellmantel und Barfußschuhen ein treuer Zuhörer ist. Jörg Pohl findet nicht zuletzt mit seiner Unterstützung seinen eigenen Umgang mit den Zumutungen der Sozialisierung. Er eignet sich seine Sprache auf spielerische Weise an, mit Rap-Texten, mit Pilzsuppe, mit PUR-Songs und schließlich im Schneckenkostüm. Kein ideologisches Auflehnen gegen das System mehr sondern ein spielerisches Experimentieren mit dem Material. Verstecken hinter vermeintlicher Dummheit schafft Freiheit. Witz schlägt Dogmatik. Slapstick wird zur Auflehnung. Birgit Schmalmack vom 30.1.19
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