Die Zofen, Thalia

Die Zofen, Lessingtage

Verinnerlichte Strukturen

Die beiden Schwestern Solange und Claire sind die Zofen ihrer gnädigen Frau. Aneinader gekettet sind sie in ihrer Abhängigkeit von der gemeinsamen Herrin. Sie wissen keinen anderen Ausweg als täglich in ein makaberes Spiel zu entfliehen, in dem sie genau diese Situation nachspielen und abwechselnd in die Rolle ihrer Herrin schlüpfen und sie in ihrer Fantasie ermorden, um endlich ihrer Unterordnung zu entfliehen. Doch wohin? Diese Frage lässt sie meistens vor dem letzten Schritt zurückweichen. Als Haussklavinnen ohne jedes eigene Einkommen sind sie auf Gedeih und Verderb ihrer Rolle ausgeliefert.
Wenn Solange und Claire dann immer weiter in ihren Rollenspielen versinken, verschwimmen Realität und Fantasie zum Schluss so stark, dass Solange den Gifttrunk tatsächlich trinkt. Ein Versehen? Oder ist diese letzte Szene ein weiterer Beleg ihrer Ausweglosigkeit? Weil Solange keinen anderen Ausweg mehr sieht?
Im Rahmen der Lessingtage war eine neue Interpretation der "Zofen" des Franzosen Jean Genet zu sehen, als postkonoliale Verarbeitung der schon überwunden geglaubten Herrschaftsstrukturen. Die Compagnie Dumanlé von der Elfenbeinküste macht deutlich, dass es sich in dieser Beziehungsanalyse nur noch um die beiden Schwestern geht. Ihre Herrin braucht nicht mehr aufzutauchen. Die beiden haben die Strukturen so verinnerlicht, dass sie sie nicht mehr benötigen, um in ihnen verhaftet zu bleiben. Diese wenig optimistische Aussage lässt die Aufführung mit seinen Stilmitteln der Clownerie, der Pantomime, des Tanzes und Gesangs und der Übertreibung, die die beiden Schauspielerinnen mit viel Engagement auf die Bühne bringen, fast vergessen. So pendelt das Stück unter der Regie von Souleymane Sow zwischen unterhaltsamer Darstellung und abstraktem Überbau hin und her.
Birgit Schmalmack vom 21.1.19


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