Geschlossene Gesellschaft, Marzipanfabrik

Geschlossene Gesellschaft, Theater in der Marzipan


Wo ist der Folterknecht?

Die Hölle, das sind die anderen. Diese Erkenntnis machen Estelle (Rebekka Corcordel), Garcin (Javid Wunsch) und Ines (Felicia Beuck). Zwei Frauen und ein Mann, die sich zuvor noch nie in ihrem Leben begegnet sind, müssen für immer zusammen in einem Zimmer in dem Bewusstsein bleiben, das keine Änderung ihre Lage mehr zu erhoffen ist. Denn sie sind tot, mit dem Höllenaufenthalt vergelten sie ihre Taten zu Lebzeiten.
Während der feige Deserteur, die Kindsmörderin und die hartherzige Lesbe auf der Erde immer noch Menschen als Puffer zwischen sich hatten, die geduldig ihre Manipulationen, Boshaftigkeiten und Ausnutzungen ertragen haben, treffen sie nun in der Hölle nur noch auf ihresgleichen. In Jean Paul Satres „Geschlossene Gesellschaft“ ist die Hölle die ewige Wiederholung eines immer gleich zermürbenden Teufelskreises, der die Menschen in gegenseitiger Abhängigkeit und Verstrickung gefangen hält. Dazu brauchen sie keine Folterknechte mehr.
In der neuen zweiten Spielstätte des Theaters in der Marzipanfabrik "Black Box" zeigte das junge Ensemble aus Absolventen des Schauspielstudios eine spannende Inszenierung des stets aktuellen Klassikers. Die Zuschauer sitzen mit in der schwarzen Hölle, die mit zwei roten Sofas, zwei Stühlen und einem Tisch bestützt ist. Die drei verschiedenen Charaktere werden von den drei Hauptdarstellern klar herausgearbeitet: Ines ist die zornige, selbstbewusst auftretende, temperamentvolle Frau, der Männer völlig gleichgültig sind. Estelle ist das kokette Blondchen, das sich nur über das Interesse von Männern definieren kann. Und Garcin ist der starke, kämpferische Mann, der Frauen nur zu seinem Vergnügen benutzt.
Regisseur Torsten Diehl ließ seine Darsteller immer wieder ans Mikro und aus ihrer Rolle heraustreten. In direkter Ansprache des Publikums ließen sie ihren ungefilterten Gedanken freien Lauf. Ein Abend, der in seiner konzentrierten Arbeit an den Figuren die Qualität des Stückes von Satre wieder einmal unter Beweis stellte.
Birgit Schmalmack vom 29.6.17


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