Das Licht braucht die Dunkelheit um seine volle Wirkung zu entfalten. Deswegen lautet der Titel der Werkschau des Lichtkünstlers Christopher Bauder auch "Dark Matter", die er zusammen mit sein Designstudio WHITEvoid entwickelt hat. So kann seine riesige Outdoorinstallation „Sommerlights“ nur anfangen zu tanzen, wenn es in Berlin dunkel wird, und die sieben Installationen in der Ausstellung brauchen die Umgebung der schwarzen, abgedunkelten Hallenräume auf dem Gelände neben dem Club Sisyphos, um zur Geltung zu kommen. Bei den „Sommerlights“ gerät die Musik des DJ-Kollektivs glatt in den Hintergrund. Viel zu spannend ist die stetige Veränderung der Lichtskulptur, als dass jemand ausgelassen ans Tanzen denken kann. Lieber legte man sich unter die über den Köpfen schwebende, auf der Spitze stehende Pyramide auf die riesigen Kissen oder in einen der Liegestühle. In Sekundenbruchteilen wurden die Pyramiden-Einzelteile als Dreiecke, Stäbe oder Rechtecke sichtbar, flitzten die Figuren mal blitzschnell, dann wieder gemächlich durch die Pyramide. War die Szenerie zunächst ganz in Rot getaucht, wechselte die Stimmung komplett, als andere Farben ins Spiel kamen. Zunächst mischten sich blaue Blitze unter das Rot. Doch je länger man staunend zusah, desto mehr erweiterte sich das Farbspektrum. Von Türkis über Weiß zu Grün färbte sich die Lichtinstallation in immer neuen Kombinationen, bis sie bei Lila und Pink landete. Als dann auch noch die Scheinwerfer in den Seitentraversen gezielt ihre Lichtreflexe auf die Knotenpunkte der Lichtstäbe setzten und diese in ihren Farben zu fließen begannen, wusste man endgültig: Hier wird die Nacht noch so viele Lichtspielvarianten hervorbringen, dass die Entscheidung zu gehen immer zu früh sein wird, um alles gesehen zu haben. Auch deswegen sollte man unbedingt die dazugehörige Ausstellung besuchen. Hier bekommt man einen noch größeren Einblick in das Schaffen von Bauder und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Denn hier verschmelzen in sieben Räumen Licht, Dunkelheit und Sound zu Gesamtkunstwerken. Im ersten Raum, der komplett verspiegelt ist, scheinen die Lichtwellen sich bis ins Unendliche fortzuschwingen. Die quadratischen Lichtpunkte, die in sanften geschwungenen Linien an der Decke an- und ausgehen, erzeugen ein zartes Auf- und Abwiegen, das an die Weiten des endlosen Meeres erinnert. Im zweiten Raum bleibt es bei den Farben Weiß und Schwarz und beim Kontrast zwischen hell und dunkel. Hier schweben schwarze Kugeln vor einer weißen Lichtwand von der Decke. Sie erinnern mal an DNA-Ketten, mal an Moleküle, mal an Planetensysteme. Die 169 Kugeln scheinen nie ganz die Verbindung zu verlieren, auch wenn sie sich in stetiger Bewegung befinden. Doch als die bisher sanft flirrende Musik von Boris Acket zu einem Crescendo ansetzt, sind sie auf einen Schlag im Raum versprengt. Aber schnell haben die Elementarteilchen wieder ihren Platz an der Seite eines anderen eingenommen und ihr gemeinsamer Weg durch ihr Kugeluniversum kann weitergehen. Drei schwebenden Lichtkreisen darf man im dritten Raum bei ihrer Choreographie zusehen. Ihrer Größe nach geordnet kreisen sie um einen gemeinsamen Mittelpunkt. So haben ihre Umlaufbahnen stets den gleichen Abstand zueinander, berühren sich nie und stehen dennoch in Beziehung zueinander. Hier spielt Bauder mit den Farben. Wie kühl die Kreisformation wirkt, wenn sie in blau daherkommt, und wie wechselt die Stimmung, wenn warme Farben wie gelb und rot dazukommen. Man könnte diesem ruhigen geordneten Reigen der Kreise noch viel länger zusehen, doch der nächste Raum ruft. Hier versammelt man sich mit den anderen Zuschauer:innen um ein digitales Lagerfeuer. Kunstvoll und fast naturalistisch hat Bauder mit Lichtstäben die aufstrebenden Flammen und Lichtfunken nachgebildet. Hier kann man sich an die früheren Abende am Lagerfeuer erinnern und darüber nachdenken, ob wir heute diese technische Form nötig haben, um die Schönheit des Feuers bewundern zu können. Auch bei der nächsten Installation darf man es sich bequem machen. Unter einem fliegenden Teppich aus schwebenden Dreiecken liegt man auf riesigen Kissen. Zu der dramatischen Musik von Robert Henke beginnen nun die Dreiecke ihr Eigenleben. Sie scheinen einen Tagesablauf mit verschiedenen Wetterlagen zu durchlaufen, vom Sonnenaufgang mit sanftem Wind, Sonnenschein über Regen und Gewitter bis zum Sonnenuntergang und einer Nacht mit einem Sternenhimmel. Die Dreiecke schweben wie eine Wolkendecke über den Zuschauern, die sie oft beruhigend zudeckt oder auch böse anfunkeln und bedrohlich nahe kommen kann, wenn die Blitze durch den Dreieckshimmel knallen. An zwei der sieben Stationen wird es interaktiv. Auf dem begehbaren 3D-Polygon darf man herumlaufen und damit die 360 Grad Projektionen beeinflussen. Mit den Schwingungen, die die eigenen Füße auslösen, verändern die geschwungenen blauen und roten Linien immer wieder ihre Form. Noch spannender ist die Veränderung, die man bei der nächsten Projektion bewirken kann. Hier sieht es so aus, als wenn Wasserwellen den Polygon herunterfließen. Wenn man nun auf ihm herumspaziert, löst man Wellenbewegungen aus, die sich über alle Stufen fortsetzen und die Illusion einer Wassertreppe perfekt machen. Noch spielerischer ist der letzte Raum, der aber denkbar schlicht ausgestattet ist. Nur drei Haushalts-Aluleitern stehen hier. Doch wenn man sie betritt, am besten sogar mit mehreren gleichzeitig, beginnt das Spiel. Dann wird man selbst zum Musikerschaffenden, der mit den anderen zusammen Melodien und Beats aus den Leiterstufen hervorzaubert. Die Arbeiten von Bauder entführen aus dem Alltag direkt hinein in eine Welt, die einzig aus Licht, Dunkelheit und Musik besteht. Die Kunstwerke lassen frei die eigenen Fantasien spielen und erlauben mit ihnen auf die ganz persönliche Traumreisen zu gehen. Birgit Schmalmack vom 17.8.22
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Dark Matter
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