Die drei Männer stellen sich hinter die Frauen, schnüffeln an ihnen, begutachten sie und begrapschen sie, als wenn sie eine Ware prüfen wollten. Sie drängen sie in eine Ecke, sie folgen ihnen, wenn sie entkommen wollen. Doch die Signale der Frauen scheinen unentschlossen. Sie wissen nicht, wie sie sich abgrenzen können. Halb gehen sie auf die Angebote der Männer ein, halb versuchen sie ihnen zu entkommen. So gelingt es den Männern sie einzukesseln und ganz nach ihren Wünschen hin- und her zu schubsen.
Allein hockt dann das junge Mädchen mit den langen Zöpfen und dem kurzen Kleidchen auf dem großen Tempelhofer Feld. Umringt wird sie von einer Gruppe, gegen die sie sich nur durch Wegrennen zu wehren weiß. Doch entkommen wird sie ihnen nicht. Sie ist für diese Fremden wie eine Puppe, derer sie sich nach Belieben bedienen können.
Die Tänzerin Aseel Qupty gibt dieser jungen Frau nicht nur durch ihren Tanz starken Ausdruck sondern auch durch ihr Mienenspiel. Als sie in einem Raum an einer Heizung angekettet gefangen gehalten wird, sind die Filmaufnahmen so geschickt in viele kleine Einzelsequenzen ineinander geschnitten, dass ihre Verzweiflung nur noch gesteigert erscheint.
Choreograph Mohammed Diban nahm für seine Arbeit mit der Harake Dance Company eine Kurzgeschichte von Kafka, in der eine Puppe verloren geht, zum Anlass, sich zu fragen, wie diese Geschichte sich heute abspielen könnte. Er fühlte sich erinnert an die Schicksale von jungen geflüchteten Mädchen, die unbegleitet aus Kriegsgebieten fliehen und auf ihrem Weg den Männern schutzlos ausgeliefert sind. In seinem Stück Manifesto zeichnet er ihren Weg über die Grenzen nach. Ein junges Mädchen flieht, nachdem in ihrem Land alles zerstört wurde. Sie überquert Grenzen, landet im Gefängnis, wird von Männern benutzt und bleibt leblos wie eine Puppe zurück. Ihr Leben ist zerstört, obwohl sie sich noch wie ferngesteuert bewegen kann. Ihre traumatischen Erinnerungen werden sie für immer verändert haben.
Diban will mit seiner Arbeit aufrütteln. Deshalb legt er Wert darauf, dass die Geschichten, die er auf der Bühne erzählt, nicht verkünstelt daher kommen. Er will die Zuschauer*innen erreichen. Deshalb setzt er sowohl in seiner Musikauswahl wie in seiner Tanzsprache auf ergreifende Emotionalität. Das ist in seiner klaren Eindeutigkeit eine Besonderheit in der Berliner Tanzszene. Doch gerade in diesem klaren Anspruch liegt eine Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit, die gefangen nimmt. Hier geht es nicht um eine um das eigene Ego kreisende Selbstfindung sondern um ein Manifest der Menschlichkeit. Und das ist in unüberhörbarer Eindringlichkeit als Zitat aus dem Film „Der Diktator„ von Charlie Chaplin am Ende der Performance zu hören. Und liegt zur Unterschrift bereit dem Programmheft bei.
Birgit Schmalmack vom 2.10.20
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