Arctic, Thalia

Arctic, Thalia



Theater ohne bildungsbürgerliche Attitüde

Wir sind im Jahr 2025. Die Passage nach Grönland ist nahezu eisfrei und der Wettlauf um die Ausbeutung der Ressourcen im vollem Gange. Auf einem Schiff finden sich sechs Menschen zusammen, die durch einen geheimnisvollen Brief an Bord der „Arctic Serenity“ gelockt worden sind. Hier spielt sich nun ein Politthriller mit tödlichem Ausgang ab. In höchster Raffinesse wird er als Gastspiel der belgischen Kompanie "Das Fräulein" auf der Bühne des Thalias in Szene gesetzt. Sie ist dafür zweigeteilt. Vorne ist der Hauptsaal des Schiffes zu sehen, in dem die Passagiere sich aufhalten. Im hinteren Teil ist ein Labyrinth aus den weiteren Räumen des Schiffes aufgebaut, das die ZuschauerInnen aber nur durch die Augen der Kameras sehen können, deren Blick auf die Leinwand projiziert werden. So wird der Bühnenraum raffiniert vergrößert und die Aufmerksamkeit der Zuschauer gelenkt. In Anlehnung an Psycho-Ästhetik sind so nur Ausschnitte der Wirklichkeit zu sehen und die Spannung wird geschickt gesteigert. Wie in einem echten Thriller bleibt bis zur Auflösung unklar, welcher Plan hinter dem Zusammentreffen der Figuren auf dem Leck geschlagenen Schiff stecken könnte. Erst allmählich wird klar: Es geht um globale Interessen der Wirtschaft und der Politik, um die Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark, um die Ausbeutung durch Großfirmen, um die Gegenwehr von Öko-Aktivisten. Geschickt lässt Regisseurin Anne-Cécile Vandalem in den spannend aufbereiteten Stoff Fakten einfließen, die der tatsächlichen Welt entnommen sind, und mischt sie mit Fantasie. Wenn dann noch dazu eine Showband im Hauptsaal des Schiffes die Untergangsmusik spielt, wähnt man sich an Bord der Titanic und in einer Hollywoodproduktion mit Leonardo di Caprio. Auf der Theaterbühne ist dieses Vorgehen eher ungewohnt.
Alles toll gespielt und handwerklich hervorragend umgesetzt. Ein Effekt jagt den nächsten. Man könnte die tatsächlichen Hintergründe fast vergessen. Das ist Theater ohne bildungsbürgerliche Attitüden, aber mit einer Botschaft.
Birgit Schmalmack vom 13.2.20


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