Kontraste: Dead man walking

Dead man walking

Die Wahrheit zählt

Schwester Prejean weiß, was der Mann, den sie besuchen will, getan hat: Er hat vergewaltigt und gemordet. Trotzdem will sie den Mann bis zu seinem Tode durch die Giftspritze begleiten. Denn sie hält nichts von einer Welt, in der Rache für Gerechtigkeit sorgen soll. An diesen strafenden Gott glaubt sie nicht. Sie glaubt an den Gott der Wahrheit, der Freiheit und der Liebe. Um Matthew bis zum Schluss an diese Wahrheit, an seine Wahrheit heranzuführen, will sie ihm eine ernsthafte und glaubhafte Gesprächspartnerin sein. Sie klopft keine religiösen Sprüche. Matthew kann sie ernst nehmen, da sie eine Kämpferin ist und nicht von seinen schönfärberischen Erinnerungen blenden lässt. Beharrlich besteht sie bis zum Schluss auf der Wahrheit. Erst als er zum „Dead man walking“ wird, der in die Todeskammer geht, kann er ihr die Wahrheit gestehen. Zu lange hat er selbst mit dem Selbstbetrug und der Lüge gelebt.
Ein eindringliches, wahrhaftiges Stück, das in jeder Minute überzeugt. Wicki Kalaitzi spielt die weltliche Nonne mit großer Überzeugungskraft und Stärke. Martin Molitor gibt dem Verurteilten genau das richtige Maß an Gewaltbereitschaft, Gemeinheit, Selbstvernebelung und Ehrlichkeit, um sowohl Sympathie und Verständnis zu wecken wie auch Vorurteile zu bedienen. Fritz Bleuler überzeugt in allen Nebenrollen, sowohl als Opfervater, als Wärter wie als Gefängnispfarrer. Schön, dass die Arbeit von Martin Jürgens vom Berliner Vagantentheater, die ein wichtiges Thema unaufgeregt in den Mittelpunkt stellt, nun auch in Hamburg zu sehen ist.
Birgit Schmalmack vom 3.10.12


(C) 2006 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken