Cedric Andrieux Einblicke in ein Tänzerleben Ich bin Cedric Andrieux und ich bin Tänzer. So beginnt das Tanzstück von Jerome Bel. Besser: das Stück über Tanz. Denn Andrieux wird die 75 Minuten, die er auf der Bühne steht, mehr sprechen als tanzen. Er wird berichten von seinem tänzerischen Leben. So stellt er sich bewegungslos in die Mitte der Bühne. Seine Arme hält er neben seinem Körper. Keine Miene verzieht er während seines betont sachlichen Berichts. Immer wieder gibt er Kostproben zu seinen tänzerischen Entwicklungsstufen. Zunächst erzählt er von seinen Wünschen an ein Leben als Tänzer. Dazu zeigt er sein Stück, mit dem er die Aufnahmeprüfung bestand. Er berichtet von seiner Ausbildung in Paris. Er erzählt von seiner Verwunderung, dass er schon ein Jahr danach in die New Yorker Compagnie von Merce Cunningham engagiert wird. Er berichtet von dem harten Training, dem Merce alle seine Tänzer unterzieht. Er führt die ermüdenden Bounces und Plies vor. Merces Takt, nach dem alle Übungen und Proben durchlaufen werden, gibt er sich dabei selbst vor. Denn die Musik wird erst zur Premiere zu einem Gesamtkunstwerk aus Tanz, Bühnenbild und Komposition zusammen gefügt. Cedric berichtet von den Strapazen, die sein Körper während dieser Arbeit zu ertragen hatte. Er zieht auch die Ganzkörperstrumpfhose an, in der alle Choreographien des großen Meisters gezeigt werden. Cunningham reizen die Überschreitung von Grenzen, auch die seiner Tänzer. Cedric gibt auch hier eine Kostprobe. Endlich nach sieben Jahren wagt er den Absprung und wechselt zur Opera Lyon. Nun arbeitet er mit anderen Choreographen. Der Kontrast wird besonders deutlich, als er ein Solo aus der Zusammenarbeit mit Trisha vorführt. Statt Selbstkasteiung des Körpers geht es hier um die Ausnutzung des tänzerischen Schwungs. Er tanzt auch bei Jerome Bels Choreographie „The show must go on“ mit. Zum ersten Mal an diesem Abend erklingt Musik. „I watch every breath you take“ von den Police kommt aus den Boxen. Bei diesem Stück durfte Andrieux die Rollen umkehren: Vier Minuten konnte er still stehend die Zuschauer betrachten. Eine ganz neue Erfahrung, die er sichtlich genießt: Das erste und einzige Mal während der Vorführung huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Birgit Schmalmack vom 15.8.10
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