Trolius und Cressida

Trolius und Cressida

http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&task=view&id=1369&Itemid=40

http://www.tagesspiegel.de/kultur/shakespeare-schubidu/1233506.html

http://www.theaterkritiken.com/index.php?option=com_content&view=article&id=138&catid=40

http://www.br-online.de/bayern2/kulturwelt/troilus-cressida-premierenkritik-ricklefs-ID1212061527642.xml

Müde alte Krieger
In der Zeltstadt der Griechen vor der Stadt Troja regnet es durch. Auf dem Boden stehen zahllose Töpfe. In sie tropft es beständig von der Decke. Seit sieben Jahren liegen die Griechen vor Troja und versuchen die Stadt einzunehmen. Der Kriegsgrund ist schon fast vergessen: Minelaus Frau Helena wurde von dem Trojaner Paris entführt. Statt Kampfeslust ist nur noch desillusionierte Langeweile übrig geblieben. Träge, sichtbar gealterte Gestalten hängen in Schlips und Kragen auf ihren Klappstühlen. Den Männern, die in dem nebligen Nieseln sitzen, ist jeder Elan abhanden gekommen. Nur Minelaos (Bernd Grawert) begehrt noch auf und gibt die Losung aus: “Rüstung statt Schlips!“ Dies sei hier schließlich keine Sitzblockade sondern ein Krieg. Doch seine Wut prallt an der Lethargie der übrigen ab.
Nur große Reden können sie noch schwingen. Der Auftritt von Ulysses (Wolfgang Pregler) gerät demzufolge sehr ausführlich. Er nutzt die Gelegenheit, um nicht nur die Situation in Troja zu erklären, sondern auch über die größeren Zusammenhänge der Rolle Odysseus, der Widergabe durch Homer bis hin zu Shakespeares Interpretation zu referieren. Das weckt selbst den zusammen gesunkenen Heerführer Agamemnon (Hans Kremer) auf. Ungeduldig auf das Ende des Vortrags wartend, vertreibt er sich die Zeit mit Späßchen auf Kosten des Redners. Als er selbst zum Zuge kommen soll, fehlen ihm jedoch die Worte und die Souffleuse muss aushelfen. Erinnerungen an Auftritte heutiger Politiker kommen in den Sinn.
Der Blick auf die andere Seite der Mauer zeigt ein ähnliches Bild. Folgerichtig werden die Griechen zu Trojaner, indem sie sich einen der Emailletöpfe auf den Kopf setzen. Etwaige Intelligenz sieht man ihnen in dieser Verkleidung gewiss nicht an.
Die Titel gebende Liebesgeschichte gerät in den Hintergrund. Inmitten des Krieges ist kein Platz für die Liebe. Zwischen den Getröpfel in die Blechtöpfe gibt es nur eine kurze, aber heftige Liebesszene zwischen den Trolius und Cressida (Julia Jentsch, Oliver Mallison). Im kurzen, leicht zu lüpfenden Strickkleid schwebt die blonde Schöne über die Bühne. Für die kurze Vereinigung schlüpft Trolius einfach mit hinein. Das Kleid wird zu einem sonnengelben Liebesnest inmitten des öden Graus. Kurz danach wird die junge Frau an die feindliche Seite ausgeliefert und dort als Soldatenhure herumgereicht. Als dann doch die kämpferische Auseinandersetzung zwischen den Trojanern und Griechen unvermeidlich wird, wird zunächst ein Stellvertreterkampf zwischen Ajax und Hektor arrangiert, der unentschieden ausgeht. Weitere Kampfhandlungen werden notwendig: Das Ganze endet in einem Blutbad. Während Trolius sich im Liebesleid am vorderen Bühnenrand mit Blut beschmiert, nutzen die vorher so trägen Herren im Hintergrund die Gelegenheit sich in Siegerposen zu werfen. Mit bloßem Oberkörper und stolz geschwellten Brust inszenieren sie sich als Kriegshelden. Das Pferd gerät dabei zur dekorativen Staffage: Es dient dem Barden als Sitzgelegenheit.
Mit leichter Hand setzt Luk Perseval die Entlarvung des Krieges in Szene. Er findet wunderbar einprägsame Bilder und karikiert die Wahrheit der Kriegsführung, angezettelt durch machtgierige Regierungen, mit unverhohlener Ironie.
Birgit Schmalmack vom 25.6.10


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