Frühlings Erwachen – Amokmaterial Jugendliche Melancholie Wedekind spürte vor 120 Jahren den Gedankengängen von Jugendlichen in seinem Stück „Frühlings Erwachen“ nach. Was bewegt heute junge Mädchen kurz vor dem Erwachsenwerden? Darauf geben die Youngsters im Lichthof in ihrer Adaption „Frühlings Erwachen – Amokmaterial“ unter der Regie von Felix Pace Antwort. Nur die Erwachsenen haben noch den Originaltext behalten: Lehrer und Eltern treten in fünffacher Ausfertigung, gekleidet in graue Kittelschürzen und in parodistischer Überzeichnung auf. Dagegen zeigen sich die Mädchen in stiller Nachdenklichkeit. Die Szenen sind von tiefer Melancholie gekennzeichnet. Von jugendlicher Lebensfreude keine Spur. Die Sinnkrise ist angesagt. Sie gehen mit ihr unterschiedlich um: Ilse stürzt sich in ein Partyabendteuer nach dem nächsten um die Leere zu füllen, Martha wünscht sich lieber schlechte Erfahrungen als gar keine, Mo zerbricht unter dem Leistungsdruck, Mel sieht für sich keine interessante Aufgabe, Wendla fürchtet sich vor der Langeweile des Erwachsenenlebens und Thea erträumt sich in ein Leben in Pink. Die Bühne ist komplett mit weißen Papierbahnen ausgelegt, die bis zur Decke hochgeführt werden. Noch ist das Leben der Mädchen unbeschrieben wie ein weißes Blatt Papier. Genau diese Freiheit und Verantwortung schreckt manche von ihnen. Denn sie gaukelt nur eine Wahlfreiheit vor, die in Wirklichkeit von ihren klaren Rahmensetzungen begrenzt wird. In einer Szene wickeln die Eltern ein Mädchen in eine der Bahnen ein. Wie eine Mumie liegt sie in die Vorstellungen der Lebensplanung der Erwachsenen eingewickelt am Boden. Im Laufe der Aufführung werden die Papierbahnen angerissen, zerknüllt, verformt und zum Schluss in einem gemeinsamen Aufbegehren eingerissen. Schade dass von dieser Kraft nicht noch mehr während des Stückes zu spüren war. Birgit Schmalmack vom 3.6.10
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