Romeo und Julia DSH Die schuldige Masse Der schwarze Bühnenkasten hebt sich. Eine blubbernde Ursuppe des Lebens wird sichtbar. Zahlreiche Leiber wabern in einer ununterscheidbaren Masse Mensch umeinander. Noch sind sie nicht die Vertreter zweier unterschiedlichen, verfeindeter Clans, der Montagues und der Capulets. Doch der Fürst (Achim Buch) in goldenem Anzug kündigt das Kommende an: in den nächsten zweieinhalb Stunden werde die unüberbrückbare Feindschaft zur Schau gestellt werden. Dabei werden die Akteure nicht nur von den Zuschauern im Parkett sondern auch auf der Bühne beobachtet. Ein stummer Chor ist Zuschauer, Kommentar und Beschleuniger in einem. Die Masse feuert auch in ihrer reinen Beobachterrolle an und wird so zum Mit-Schuldigen. Diese feinen Kommentare verändern den Blick auf das berühmteste Liebespaar der Welt „Romeo und Julia“, das frisch und herzerwärmend zugleich von Julia Nachtmann und Aleksandar Radenkovic gespielt wird. Julia reift vom verträumt, verspielten Kind zur todesmutigen starken Frau. Romeo vom flatterhaften Schwärmer zum Opfer bringenden Liebenden. Klaus Schumacher arbeitet an dem Stück vor vier Folien: vor der politischen aus Sicht des Fürsten (und des Dichters Shakespeare), vor der romantischen des Liebespaares, vor der Kulisse der manipulierenden Masse und vor der komödiantischen der Nebenfiguren. Vater (Jürgen Uter) und Mutter erinnern an eine Mischung aus Simpsons und Dallas, der Mönch ist eine asketische zu packende Mönchin (Hedi Kriegskotte), die Amme eine dralle italienische Mama (Irene Kugler), Bonvolio ein tollpatschiger Schlacks (Sören Wunderlich) und Mercutio ein liebenswerter, dickbäuchiger Proll (Tristan Seith). So unterhält er die verschiedenen Zuschauerschichten, die ein derartiger Klassiker ins Schauspielhaus zieht, hervorragend und regt zugleich den Lernzuwachs für heutige Zwistigkeiten an. Birgit Schmalmack vom 18.5.10
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