Kabale und Liebe
Die Schachbrettbühne ragt schräg in dem Zuschauerraum hinein. Ganz am Rand sitzen Ferdinand und Luise und ihre Eltern (Juliane Koren und Michael Prelle). Darf sein, was die Beiden wollen? Darf Ferdinand, der Präsidentensohn sich in die bürgerliche Musiklehrertochter verlieben? Oder müssen die treu sorgenden Eltern, um das Schlimmste zu verhindern, die Verbindung rigoros unterbinden? Die Mutter kann ihre Tochter verstehen: Ferdinand wäre ein netter Schweigersohn, den sie ihrer Tochter von Herzen gönnen würde. Ihr Vater dagegen kennt sich in Liebesdingen aus eigener Erfahrung nicht so gut aus: Er versteht sich dagegen mehr auf die üblichen Verhaltenskodex im Herzogtum. Doch gegen die übergroße Zuneigung zwischen den beiden jungen Menschen ist auch er machtlos. So kommt es, wie es kommen muss: Alle werden sich zu Spielfiguren auf dem Schachbrett der Herrschenden. Ferdinands Vater, der Präsident, schiebt sie nach seinem Gutdünken hin und her. Aus Machtgründen will er eine Heirat seines Sohnes mit der Geliebten des Herzogs, Lady Milford, arrangieren. Sein Sohn wagt es sein Angebot auszuschlagen. Er hat etwas gegen seinen Vater in der Hand: Er weiß, wie sein Vater seinen Vorgänger im Amte ausgeschaltet hat. Sein Vater kann nicht glauben, dass sein eigen Fleisch und Blut nicht seines Sinnes ist. Macht soll ihm nichts gelten und die Liebe zu einem bürgerlichen Mädchen alles? Absurde Vorstellung! Doch Luise und Ferdinand wagen den Aufstand der wahren Gefühle. Unter den sich überstürzenden Ereignissen werden sie zu Helden. Luise greift als erste zur Waffe, als sie keinen Ausweg mehr sieht. Schiller führte in seiner Tragödie den Irrsinn der Klassengesellschaft vor Augen. Er stellt die wahrhaft Tugendhaften den vermeintlich Hochstehenden gegenüber. Die einen betrügen um des Machterhalts willen, die anderen tragen die Konsequenzen ihres moralischen Handelns erhobenen Hauptes. In der Inszenierung des tschechischen Regisseurs Dusan David Parizek, die bis zur letzten Sekunde fesselt, ist das ein überaus spannendes Kammerspiel. Auf der eng umgrenzten Bühne werden die psychologischen Beweggründe der einzelnen Personen fein beobachtet. Die Gefühlsleere, die Liebes-Sehnsucht und die Rache einer enttäuschten Frau zeigt Ute Hannig als Lady Milford. Lukas Holzhausen spielt den aalglatten, machtgierigen, herrschsüchtigen Präsidenten, der das Leben als machtstrategische Aufgabe begreift und demzufolge in den Menschen Figuren in seinem Spiel sieht. Janning Kahnert ist der windige, aalglatte Marschall von Kalb, dessen Handeln von wenig Rückgrat und viel Furcht bestimmt ist. Philipp Otto macht die Hintergründe des schleimenden, Intrigen schmiedenden Sekretärs Wurm so klar, dass man fast Mitleid mit dem liebeshungrigen Mann bekommt. Aleksandar Radenkovic ist ein gut gewähltes Objekt der Liebe. Als stürmischer, junger, gut gebauter Mann kämpft er für die Liebe zu seiner Luise. Allerdings zeigt sich bald, dass er in seinen Gefühlen weniger beständig ist als sie. Als ein gefälschter Liebesbrief auftaucht, schlägt seine ewige Liebe blitzschnell in heftiges Missvertrauen, Eifersucht und Rache um. Julia Nachtmann zeigt dagegen die Entwicklung der Luise von einem schwärmerischen Teenager zu einer klar argumentierenden und handelnden, starken Frau, die Ferdinands Entscheidungen am Schluss den Weg weist. Birgit Schmalmack vom 23.9.08
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