Wund.Es.Heim In der P1 sitzen die Zuschauer mitten zwischen den transparenten Wänden einer Wohnung. Hier wohnt Erika, die strenge Musik-Professorin, mit ihrer Mutter. Als sich ein Student in sie verliebt, brechen sich ihre lange verborgen gehaltenen, sexuellen Begierden ihre Bahn. Ihre Mutter ist dabei allgegenwärtig. Nicht nur die transparenten Wände machen jede Privatsphäre unmöglich sondern auch ihre Darstellung durch sechs Frauen. Eine von ihnen zupft immer an Erika herum oder gibt ihr gute Ratschläge. Regisseur Gernot Grünewald bricht die intime Teilhabe der Zuschauer an der familiären Zerrissenheit zwischen Fürsorge und Einengung, zwischen Liebe und Erdrückung durch Regieanweisungen und Außenbeschreibungen. Immer wieder wechseln gespielte Dialoge mit Prosatexten in der dritten Person. So erreicht er geschickt, dass sich die Beklommenheit nicht gleich von Anfang an übermächtig über die Szenerie legt. Erst nach und nach werden die gewaltsamen Ausbruchsversuche Erikas aus der Umklammerung der Familie so deutlich, dass auch die spiegelnden Vorhänge und die Filmeinspielungen keinen distanzierenden Schonraum mehr bieten können. Die drei Hauptdarsteller meistern die schwierige Aufgabe mit Bravour. So beeindruckte dieses Regieprojekt durch eine alle Sinne ansprechende, intensive Analyse der Entstehung sexueller Neurosen im trauten Schoße der Familie.
Woyzeck Schlichte Stahltische bilden einen verwinkelten Catwalk mitten durch die Zuschauerreihen der P1. Auf ihnen begutachten sechs Menschen in grauen Jogginganzügen den Abgrund. Leise eintönige Klavierakkorde begleiten ihren Erkenntnisprozess, dem sie nun dem Zuschauer vorstellen. Um Woyzeck geht es, einen Menschen, von dem sich jeder der Beteiligten ein bestimmtes Bild gemacht hat. Für Frau Hauptmann ist er viel zu hektisch, für den Herrn Doktor ein lohnendes Experimentierobjekt, für seine Frau Marie ein Langeweiler, den sie gerne gegen viel fescheren Offizier eintauschen würde. Und Woyzeck selber erträgt diese Zuschreibungen mit stoischer Geduld, soglange bis er zum Schluss nicht mehr kann und ausbricht aus dem Käfig der Beobachtung und Entmenschlichung. Regisseurin Ivna Zic seziert mit ihrer äußerlich reduzierten Darstellung die psychologischen Beweggründe der Beteiligten zielstrebig und konsequent. Birgit Schmalmack vom 14.5.10
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