Anna Karenina

Anna Karenina
Jede Familie ist auf ihre ganz eigene Art unglücklich.
ASma:Dkms bd nond? Dkinaa. So können Liebeserklärungen zweier prinzipientreuer, schüchterner Menschen aussehen. Levin und Kitty schreiben sie mit Kreide an die schwarze Hinterwand. Auf diese Weise wagen sie nach mehrjähriger Wartezeit eine behutsame Annäherung.
Denn ihr Umfeld ist erstarrt. Der Schnee bedeckt den Boden auf der ansonsten leeren Bühne. Auch das Ehepaar Stiva und Dolly richtet sich mehr schlecht als recht in der zaristischer Gesellschaft ein. Stiva als Mann widmet sich seinem bevorzugten Lebensinhalt: dem Genuss in seinen vielfältigsten Ausformungen. Seine Frau darf sich derweil in der Rolle der sechsfachen Mutter ausleben und muss zähneknirschend lernen die Affären ihres Mannes zu akzeptieren.
Auch Anna Karenina versucht sich den Regeln entsprechend zu verhalten. Sie heiratet einen älteren, einflussreichen, vermögenden Mann und bekommt einen Sohn. Sie erfreut sich am Zugang zur Moskauer und Petersburger High Society. Doch dann begegnet sie Wronski. Schon bei dem ersten Blickkontakt ist klar, dass diese Begegnung alles in Frage stellen könnte. Anna versucht durch eine plötzliche Abreise aus Moskau ihren Gefühlen Einhalt zu gebieten, doch Wronski, der zu dieser Zeit eigentlich Kitty den Hof machte, reist ihr hinterher. Eine wilde leidenschaftliche Liebe beginnt, die alles bisher wohl Geordnete ins Wanken bringt.
Anna und Wronski haben gegen die gesellschaftlichen Regeln verstoßen und werden abgestraft. Doch sie sind beide Kinder dieser Gesellschaft, die sie nun verstößt. Wronski versucht sich in eine von männlicher Selbstdisziplin geprägte Haltung zu retten, während die sensible Anna in Depressionen verfällt.
Regisseur und Intendant Axel Schneider hat den umfangreichen Roman von Leo Tolstoi auf die Bühne des Altonaer Theaters gebracht. Er mischt für seine Textfassung Dialoge, Monologe und Erzählpassagen aus dem Roman. So mutet er seinen Darsteller zu, von ihrer Rolle immer wieder in die Erzählerperspektive zu wechseln. Die karge Bühnenausstattung tut ihr Übriges, dass der Einstieg in die Geschichte der drei Paare, auf die er sich fokussiert, von Anfangsschwierigkeiten begleitet ist. Das Einfühlen fällt schwer. Wer sich jedoch auf den Rhythmus einlassen konnte, den zog die Geschichte nach der Pause immer mehr in ihren Bann.
Das Persönlichkeitsbild der einzelnen hatte nun genügend Stoff um sich zu einem Ganzen zusammen zu setzen. Anna Schieber gelang es die kapriziöse, sensible und gefühlsstarke Frau zu zeigen, der man Anna Kareninas Handlungsweisen zutraute. Georg Münzel als Wronski war zugleich verständnisvoll, nachsichtig, liebevoll und zeigte dennoch deutlich, dass ihm diese Frau ein Rätsel blieb. Erst bei seinem Selbstmordversuch erkennt er höchst verwundert, dass ihn die Rolle des stoisch ertragenden, standfesten Mannes überfordert hat.
Zum Schluss steht Anna außerhalb der Gemeinschaft vor der Bühne. Sie hat endgültig ihre gehobene Stellung verlassen und sich auf die Ebene des gemeinen Volkes (hier des Publikums) herabgelassen. Das ist dann auch der Zeitpunkt, an dem sie erkennt, dass sie so nicht mehr weiterleben kann.
Birgit Schmalmack vom 3.5.10


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