Das Wunder von Schweden

Das Wunder von Schweden
Der gütige Kapitalismus
Die Banker lassen ihre Köpfe über ihren Laptops hängen. Doch Hoffnung darf aufschimmern: Ein Erretter aus der Reputationskrise des Kapitalismus ist ausgemacht: der Ikeagründer Ingvar Kamprad (Andreas Grötzinger). Wer, wenn nicht er, könnte für den guten Kapitalismus stehen. Er setzt in seinen Möbelhäuser die fast kommunistischen Grundwerte der Gleichheit um. Er lässt die Kunden und Mitarbeiter zur großen IKEA-Family werden, die im gemeinschaftlichen Du verbunden sind. Er geht nicht an die Börse, sondern gibt den Gewinn in Stiftungen. Er protzt nicht mit seinen Gewinnen, sondern predigt Bescheidenheit und Genügsamkeit.
Der Markt lässt auch diesen Mann erfahren, dass jeder Tag einen neuen Kurs bringt. Wie oft lag er am Boden, weil seine Firmenidee nicht vom Markt goutiert wurde. Immer wieder gab es Probleme. Mal waren es die zu hohen Preise, mal das altmodische Design, mal die mangelnde Qualität, mal der mangelnde Service. Aber immer rappelte sich der einfach geniale Ingvar auf und hatte die zündende Idee. So schuf er ein typisch schwedisches Design, so ließ er die Kunden selbst schrauben, tragen und schleppen, so verlagerte er die Produktion ins kommunistische Polen, und zwar mitten im kalten Krieg.
Ein Materialtest auf polnisch-schwedisch überzeugte die Kunden schließlich von der Top-Qualität. Im Schauspielhaus geht er folgendermaßen: Andreas Grötzinger und Tim Grobe springen in einem Kraftwettbewerb von beiden Seiten auf den Metallstuhl aus der neuen Produktion. Und siehe da: Er hält.
IKEA tritt nicht nur in eine neue Phase der Gewinnmaximierung ein, sondern sein Chef avanciert zu einer Erlöserfigur für einen neuen gütigen Kapitalismus. Er ist laut Regisseur Erik Gedeon dazu angetan auch heute wieder Hoffnungen zu wecken. Doch Gedeon wäre nicht der ironische Dialektiker, der seine Zuschauer gerne mit ihren Seherwartungen vorführt, wenn er ihn nicht zum Schluss entzaubern würde: In einem Gewaltakt nageln die Mitarbeiter Ingvar mit dem Kundenwerkzeug an den gerade noch umtanzten Maibaum des Family-Festes. Des Kapitalismus eingeborenen Sohn stirbt für die Menschen, doch die Idee des gütigen Kapitalismus stirbt nie, so lautet dennoch die frohe Botschaft des wieder auferstandenen Messias Ingvar. Das Publikum ließ sich gerne ver- und vorführen und applaudierte zum Schluss kräftig.
Birgit Schmalmack vom 4.5.10


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