Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen
Für Lenny gibt es keinen Unterschied zwischen Menschen und Mäusen. Für den Umgang mit beiden fehlen ihm die Regeln. Er kann seine Gefühle nicht kontrollieren und lässt sie ungefiltert heraus. So wie er kleine Tiere seine Liebe intensiv zeigen will und sie dabei erdrückt, so übertritt er auch bei Menschen oft die Grenzen. Zum Glück hat er George. Sein Freund sagt ihm, was er zu tun hat: Er solle seine Hände von kleinen zarten Tieren und jungen Mädchen lassen.
Als Wanderarbeiter ziehen die beiden von Farm zu Farm. Oft müssen sie schneller verschwinden, als ihnen lieb ist. Dann hat Lenny mal wieder eine Dummheit angestellt. George fragt sich wiederum immer, warum er sich mit dem körperlich starken, aber geistig schwachen Mann herumschlägt. Er kennt die Antwort: Nur sein Zusammensein mit Lenny unterscheidet ihn von den anderen Wanderarbeitern. Alle diese harten Männer ziehen ganz alleine von Ort zu Ort, schuften 12 bis 13 Stunden, schlafen im Schlafsaal, bekommen ihr Geld und verprassen es im nächsten Pub oder Puff. Nur seine Freundschaft mit Lenny macht ihn zu etwas Besonderem. Er ist überlebenswichtig für einen anderen Menschen. Er ist nicht alleine und er kann gemeinsam mit einem Freund von einer besseren Zukunft träumen.
Die anderen Menschen auf der neuen Farm erkennen die Vorzüge des schlichten Lennys durchaus: Sie nutzen ihn gerne als Zuhörer ihrer Geschichten. Auch wenn sie wissen, dass er sie nicht verstehen kann, gibt er ihnen für kurze Zeit das Gefühl, nicht einsam zu sein. So projizieren sie ungestört von der tatsächlichen Persönlichkeit Lennys in ihn ihre Vorstellungen eines „netten“ Menschen. Als sie erkennen, dass er bloß ein zu groß geratenes Kind ohne Fähigkeiten zur Selbstkontrolle ist, ist die nächste Katastrophe schon eingetreten.
Zum Schluss ist George nichts Besonderes mehr. Er ist eine der einsamen Wanderarbeiter geworden, denn er hat sich Lennys entledigt.
Thorsten Hierse spielt diese letzte Szene mit tiefer bewegter Trauer, wenn er mit der Pistole auf Lenny zielt, während er ihm zartfühlend ihre gemeinsame Zukunft ausmalt. .... ist ein Lenny dem man nichts Böses zutraut und der in seiner Abhängigkeit von Georg rührt.
Regisseur hat sich auf wenige Aspekte des Dramas von John Steinbeck beschränkt. So verkürzt er die Geschichte auf knappe, jugendtaugliche eineinhalb Stunden und nur fünf Schauspieler, die außer den beiden Hauptfiguren in alle Rollen inklusive der Hunde schlüpfen. Die Bühne im Malersaal gleicht einem rauen Steinbruch, der aus Holzplatten steil die Rückwand hinaufsteigt. Kleine Vorsprünge lassen nur magere Einzelsitzplätze zu. Ein Erklimmen neuer gemeinsamer Lebensperspektiven bleibt eine Illusion.
Birgit Schmalmack vom 4.1.10


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