Bunbury Das Leben ist wie eine Gurke. Krumm, schnell verspeist, ohne feste Substanz. Diese Erkenntnis Algerons ist genauso wahr, wie jede die er für sein Leben bisher schon aufgestellt hat. Stabile Maßstäbe – Fehlanzeige! Darin ist er sich mit seinem Freund Jack völlig einig. Die beiden Dandys der Londoner Gesellschaft leben ein Leben der ständigen Show. Gleichzeitige Selbstverleugnung und Selbsterfindung betreiben sie mit Lust und Ausdauer. So hat jeder der Beiden eine zweite Identität für den Bedarfsfall, dass ihm das eine Leben zu langweilig und einseitig wird. Ausgerechnet der wider Erwarten auftretende Wunsch nach Verheiratung treibt Jack dazu sein zweites Ich namens Ernst aufzugeben. Obwohl sein Freund zunächst wenig Verständnis für solche Gelüste aufbringen, befindet er sich kurze Zeit später in ähnlicher Verfassung: Er hat Jacks Cousine kennen gelernt und ist ebenfalls verliebt. Nun sind aber diese beiden Damen keineswegs ein Ausbund an Natürlichkeit und Ehrlichkeit. Sie sind Kunstprodukte ihrer selbst. Sie spielen das überblonde Weibchen Marke „Sehscheide“. Nur auf der Suche nach einem Felsen, an dem sie andocken und danach ihr Gehirn seinen Geist aufgeben lassen zu können. Anna Bergmann wählt für ihre Inszenierung am Thalia Theater einen überaus sinnigen Ansatz: Alle Personen in dem Stück werden bei ihr von Männern gespielt. So erscheinen auch die Frauen als Kunstwesen, die sich dem gesellschaftlichen Verständnis ihrer Rolle gemäß kaprizieren. Gleichzeitig bietet natürlich die Darstellung der weiblichen Rollen durch männliche Schauspieler die wunderbare Gelegenheit die komischen Aspekte dieser Selbstinszenierung schön auf die Spitze zu treiben. Mit anderen Schauspielern als denen des Thalia Ensembles hätte dieses Konzept leicht in Klamauk enden können, doch das verhindert zu Glück deren versierte Qualität. Besonders Hans Kremer und Jörg Pohl meistern die Frauenrolle mit unaufgeregter Leichtigkeit. André Szymanski und Sebastian Rudolph sind wunderbar dekadente Lebemänner, die ihr Fähnlein in den jeweilig angesagten Wind hängen können. Die riesige Partykugel auf der lila Bühne ist auf der Rückseite ein goldener Salon, der den Londoner Damen zum glitzernden Auftritt verhilft. Das Landleben kommt dagegen mit einem Mini-Schwimmingpool vor Gartenstühlen und aufblasbaren Gartenhäuschen-Iglu daher. Mit den herrlich selbstironischen Gesangseinlagen versehen wird aus der Vorlage von Oscar Wilde ein gelungener Theaterspaß mit hintergründigem Humor. Ziemlich sicher hätte dieser seine Freude an der homo-freundlichen Interpretation von Anna Bergmann gehabt. Birgit Schmalmack vom 2.1.10
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