Dogville Chorgeist Auf der schrägen schmalen Ebene werden Matten ausgelegt, Äpfel werden ausgeschüttet, die Männer stampfen barfuss die Früchte zu Brei und die Frauen pressen ihn durch Tücher zu Saft. Sie bieten ihrem gerade angekommenen Gast aus der Stadt, der jungen Frau Grace (Dorothea Arnold). zum Trinken an. Später wird sie nicht mehr so fürstlich bedient werden. Da stampft sie ganz alleine den ganzen Tag mit ihren bloßen Füßen die Äpfel, während die Dorfbewohner ihrer geistlichen Erbauung nachgehen und Kirchenlieder einüben. Die Religion und die Äpfel bestimmen das Leben der Menschen in Dogville. Wie in einer geschlossenen Holzkiste leben die Menschen aus „Dogville“. In dieser abgeschiedenen Welt, die ganz dem Anbau und der Ernte von Äpfeln gewidmet ist, meint Grace die Menschlichkeit gefunden zu haben, nach der sie sich immer so gesehnt hatte. In dem Sohn des Arztes, Tom findet sie ihren Vermittler und Unterstützer. Tom fühlt sich großartig dabei, dem schönen Mädchen aus der großen Stadt helfen zu können. Dieses Gefühl der gegenseitigen Dankbarkeit überwiegt auch zunächst bei der Dorfgemeinschaft. Doch bald wechselt es zu einem Gefühl der Überlegenheit. Die Polizei fandet nach Grace. „Ihr könnt über mein Leben und meinen Tod jederzeit bestimmen“, erkennt sie. Sie nimmt ihre Rolle in Demut an. Und ermutigt damit die Dorfbewohner zu immer neuen Demütigungen. Die Männer bedienen nach Gutdünken an der allzu unterwürfig wirkenden, schönen Frau alle nacheinander. Vorbei ist es mit den Idealen der Mitmenschlichkeit; Grace wird vergewaltigt und an die Kette gelegt. Zum Schluss entscheidet sich Grace mit der Radikalität, die auch schon in der Abkehr von den Zielen ihres Vaters zu tage kam, für die Rache und Liquidierung des gesamten Dorfes. „Ohne Dogville ist die Welt ein wenig besser“, hat sie erkannt. Regisseur Volker Lösch von Schauspiel Stuttgart zeigte in seinem Gastspiel im Thalia Theater, wie man Dogville im Schwäbischen verorten kann. Die Dorfbewohner treten als Chorgemeinschaft auf, denen zu jeder Situation immer ein passendes Kirchen- oder Volkslied einfällt, mit dem sie den Chorgeist auffrischen können. Der Vater ist hier der Vorstandsvorsitzende von Daimler Chrysler. Thorsten Zell war es auch im wirklichen Leben. Er verkörpert für Grace die Welt der skrupellosen Marktwirtschaft, die sich auch für Rüstungsgeschäfte nicht zu schade ist. Im anschließenden Publikumsgespräch betonte Lösch, das ihm aber im Falle einer Inszenierung in Hamburg sicher auch eine passende Umsetzung für hanseatische Verhältnisse eingefallen wäre. Daran ist wohl kaum zu zweifeln. Eine eindringliche Inszenierung, die sich absetzt von dem gleichnamigen Film und eine ganz eigene Bühnensprache findet. Während der Aufführung breitet sich ein herber Apfelgeruch über dem ganzen Bühnen- und Zuschauerraum aus; eine sehr stimmige Versinnbildlichung für die erdverbundene, einfache Lebenswelt in der schwäbischen Holzkiste.
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