Der Tartuffe

Der Tartuffe
Bunt ist das Leben, öde die Entsagung
Tartuffe (Norman Hacker) ist der superfromme, fanatisch religiöse Schleimer, der sich bei dem reichen Orgon und seiner arroganten Hofschar einnistet und fortan den gemütlichen Gang der abgesteckten Einflussbereiche empfindlich stört. Dimiter Gottschef zeigt am Thalia Theater eine Sichtweise auf das bekannte Stück von Moliere, das die Parteinahme schwerer macht als gewöhnlich. Mit dieser abgehalfterten partygierigen Schar, die nur ihrem eigenen Dünkel, Reichtum, Besitzdenken und ihrer Langeweile lebt, fällt es schwer Mitleid zu haben.
Die bulgarische, derb ehrliche Dienstmagd (Judith Rosmair) bringt es auf den Punkt, als sie erkennt, dass Tartuffe mit seiner Analyse der moralischen Missstände unter ihrer Herrschaft nicht ganz unrecht habe. Den Sohn nennt sie nur das „Monsterbaby“, so weinerlich unfähig ist er, seinem Vater oder Tartuffe die Stirn zu bieten. Die Tochter (Anna Blomeier) ist für sie die „rosa Torte“ in ihren unkleidsamen, geschmacklosen bonbonfarbenen Hot Pants. Auch sie weint mit ihrem Verlobten nur um die Wette, als ihr Vater (Peter Jordan) verkündet, dass sie ab nun dem Tartuffe als Gemahlin versprochen sei. Dass dieser „Nicht Selbstversorger“ und „Parasit“, wie er sich selber treffend beschreibt, der klügere Manipulator seiner Lebensgeschicke und die der anderen ist, beweist er mit Bravour.
Die völlig kahle Bühne, die den Reichtum der Orgons mehr als illusionär und tandhaft erscheinen lässt, wird zu Beginn des Stücks mit riesigen Mengen an Konfetti und Luftschlangen verschönt. Vordergründig bunte Dekoration ersetzt kulturtragende Möblierung. Was kann sich Tartuffe auf diesem Wege eigentlich noch erschleichen? Er wird die Orgons, denen man keine Träne nachweinen möchte, sicher würdig ersetzen, bis der nächste noch bessere Manipulator auf der Bildfläche erscheinen wird.
Eine Sichtweise auf den Klassiker, die zwar den herben Stil der Dienstmagd auf die gesamte Inszenierung überträgt, aber ebenso klarsichtig ist wie sie.
Birgit Schmalmack vom 23.10.06


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