Nathan der Weise Die Vernunft der Toleranz Nathan wird in Jerusalem „Nathan, der Weise“ genannt. Er selber bemerkt dazu, dass sie wohl eher „Nathan, den Reichen“ meinen würden und eventuell sogar dächten, dass beides in seiner Kultur dasselbe sei. Denn Nathan ist Jude. Seine ganze Familie wurde von Kreuzrittern ermordet. Doch Nathan ließ seine Vernunft und seinen Gottesglauben über seinen Hass und seine Rachegelüste siegen. Er nahm ein Kind seines verstorbenen christlichen Freundes an Vaterstatt an und zog es in großer Liebe auf. Als er von einer seiner Geschäftsreisen zurückkommt, muss er erfahren, dass sie um ein Haar verbrannt wäre. Doch ausgerechnet ein Tempelherr rettete sie aus den Flammen. Der moslemische Herrscher, der Sultan Saladin, begnadigte gerade diesen Tempelherren kurz zuvor, weil er seinem verstorbenen Bruder ähnlich sah. Recha, die Tochter verliebt sich in ihren Retter und er sich bei ihrer ersten Begegnung ebenfalls in sie. Religionsgrenzen schienen plötzlich unwichtig zu sein. Doch Nathan zögert der Verbindung zu zustimmen. Sollte er doch weniger tolerant sein, als er vorgab? Bis alle zusammen in Saladins Palast die große Völker- und Religionsverständigung feiern können, sind einige dramatische Verwicklungen zu überwinden, an deren Ende sie erkennen, dass sie eigentlich alle zu einer großen Familie gehören. Nur Nathan steht bei der Versöhnung, für die er den Auslöser bot, alleine am Rande. Das Ernst- Deutsch-Theater hat das große Integrationsstück des weitsichtigen und scharfsinnigen Lessing in ihr Programm mit aufgenommen. Obwohl es von 1779 ist, könnte es wohl kaum aktueller als zurzeit sein. Diskutiert es doch die Frage unter welchen Umständen die Verständigung zwischen den Religionen möglich ist. Die berühmte Ringparabel, mit der Nathan die Frage nach der wahren Religion diplomatisch beantwortet, stammt aus diesem Klassiker. Regisseur Martin Gelzer hat sich für eine ganz werktreue, schnörkellose Inszenierung entschieden, die auf jede Aktualisierung verzichtet. Eine kluge Entscheidung, denn sie erübrigt sich bei diesem Text. Auf der schlichten, modernen und dennoch effektvollen Bühne des Designers Peter Schmidt kommt der wortgewaltige, kluge Text gut zur Geltung. Bei den Schauspielern überzeugten Ralf Schermuly als Nathan, Tilmar Kuhn als Tempelherr, Maria Hartmann als Daja und Mario Ramos als Derwisch besonders. Birgit Schmalmack vom 16.10.06
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