Mephisto

Mephisto
Ich muss frei sein

Hendrik Höfgen versteht sich als Künstler. Als Schauspieler und Regisseur muss er frei sein um arbeiten zu können. Selbst die Mitgliedschaft in einem Ensemble ist ihm schon zu viel Einschränkung seiner künstlerischen Ausdrucksmittel. Doch Höfgen will auch erfolgreich und berühmt werden. Diese beiden Ziele kommen sich im Laufe seiner Karriere in die Quere. Als Hitler zum Reichskanzler gewählt wird und Göring zum Kulturstaatsminister wird, muss er sich entschieden: für die Freiheit oder für den Erfolg. Nachdem er die Hand von Göring ergriffen hat, um sein Angebot Intendant des Berliner Staatstheaters zu werden, anzunehmen, weiß er: Er hat sich befleckt. Regisseur Andres Paulin macht das in seiner Inszenierung am Schauspielhaus sehr deutlich: Mit leicht als Kot zu identifizierenden Dreck beschmiert steht Philipp Otto in seinem vorher noch schwarzen Anzug da. Er hat sich auf das Regime eingelassen. Er, der zuvor von revolutionärem Theater, das die Menschen bewegt und verändert, träumte, hat sich an das Naziregime verkauft.
Paulin zeigt dazu einen Interviewausschnitt mit dem alternden Gründgens: „Ich habe die Welt von 33 bis 45 nicht als Realität wahrgenommen.“ Er hat sich in seine Kunstwelt des Theaters geflüchtet. So kann er es nach dem Ende des Weltkrieges wagen auf die deutsche Bühne zurück zu kehren. Gerade das Publikum in Hamburg weiß von seinem Ruhm, den er in der Hansestadt auch nach der Nazizeit noch einmal erfahren konnte.
Auch wenn Paulin am Anfang versichern lässt, dass Ähnlichkeiten der gezeigten Geschehnisse mit lebenden Personen völlig aus der Luft gegriffen sind, weiß jeder der Klaus Manns Roman „Mephisto“ gelesen hat, den Film oder frühere Bühnenaufführungen gesehen hat, wer mit den Figuren gemeint ist. Psaulin hält mit Anspielungen nicht hinter dem Berg. Schon die Bühne spricht eine deutliche Sprache. Getarnt als ein Kongress von globalisierten Kulturschaffenden, die die Wichtigkeit der Kreativität, Kunst, Toleranz in unserer Welt unterstreichen wollen, weist die Bühne mit ihren Fahnenbannern unmissverständlich auf den Gastgeber hin: Das Deutsche Schauspielhaus. So sparen die sieben Schauspieler, die mit wechselnden Rollen die Szenen aus Manns Roman nachspielen, nicht mit Verweisen auf das frühere, das heutige und das Theater im Allgemeinen.
Paulin wollte viel in seiner Inszenierung vermitteln. Nicht nur den Roman nacherzählen, die geschichtlichen Bezüge deutlich werden lassen sondern auch die Rolle des Theaters im Meinungsbildungsprozess und seine Verantwortung unter die Lupe nehmen. Immer wieder springt er in den Erzählstrukturen und Ebenen hin und her. Dem Publikum verlangt er während der dreieinhalbstündigen Aufführung ein Höchstmaß an Konzentration ab. Erst nach der Pause ordnet sich das Knäuel der Fäden nach und nach. Wer sich die Mühe machte, wurde mit einem interessanten Abend belohnt.
Birgit Schmalmack vom 6.10.06


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