Politikstrategen Ein leerer, holzverkleideter Raum. Keine Fenster. Nur in der Rückwand schmale Schlitzen, durch sich ein Mensch gerade hindurchzwängen kann. Wie Schießscharten wirken sie von weitem. Den Raum schließt nach oben hin ein Gitter ab. Einzig ein runder Ausschnitt ist freigelassen worden: Für einen runden Kronleuchter, der wie eine leuchtende Perlenschnur eine Verbindung nach oben denkbar sein lässt. Doch die Menschen, die in diesem Raum agieren, nutzen diese mögliche Verbindung zu Höherem selten. Sie denken in klar abgegrenzten Strukturen denken. Sie gehören der Partei an, und die Partei hat immer recht. Auch Hugo (Hans Löw) möchte so gerne zu diesem Zirkel dazugehören, um endlich klare Maßstäbe für sein Leben zu finden, das ihn in seiner Bürgerlichkeit nur anödet. Doch die Partei misstraut den Intellektuellen. So darf er sich zunächst nur hinter der Schreibmaschine beweisen. Doch Hugo sein eh nutzloses Leben für gefährlichere Aktivitäten einsetzen dürfen. Die hübsche Parteistrategin Olga (Paula Dombrowski) setzt sich für ihn ein. Parteifunktionär Louis (Helmut Mooshammer) gibt ihm seinen ersten richtigen Auftrag: Er soll einen Genossen namens Hoederer erschießen, weil dieser vorhat mit dem Feind zu paktieren. Hugo wird bei ihm als Sekretär eingeschleust und nimmt neben seiner Waffe auch gleich seine hübsche blonde Frau mit. Ihre Paarbeziehung ähnelt eher einem kindlichen Schwester-Bruder-Verhältnis. Sie spielen ihr Leben eher als dass sie es ernsthaft in die Hand nehmen. Hugo soll seinen Chef erschießen. Doch er ist nicht dazu in der Lage, wie er sich vorgenommen hatte, einfach zu handeln ohne zu denken. Während er den Plan noch hinterfragt, lernt er den Menschen, den er umbringen soll, immer mehr schätzen. Er ist eine intelligenter Mensch, der als Erster Hugo ernst nimmt und mit ihm über die richtigen Lösungen diskutiert. „Ich kann dir helfen, wir können zusammen arbeiten“, versichert er ihm. Hoederer will mit den politischen Gegnern koalieren um ohne Blutvergießen an die Macht zu kommen. Ist das legitim? Geht das ohne eine Revolution aus dem Volk heraus? Darf man dem Proletariat, das von diesen Ränkespielen hinter den Kulissen natürlich nichts ahnen darf, so belügen? Hugo gerät immer weiter ins Nachdenken. Der Druck aus der Partei wächst. Der Auftrag muss ausgeführt werden. Da kommt Hugo ein Umstand zur Hilfe: Er erwischt Hoederer mit seiner Frau und kann endlich abdrücken. Er kommt für zwei Jahre ins Gefängnis. Als er wieder auf freiem Fuß ist, geht er zu Olga. Doch inzwischen haben die Strömungen gewechselt: Louis hat nach Hoederers Tod seine Strategie übernommen. Ist er also ganz umsonst gestorben und Hugo ganz sinnlos zu seinem Mörder geworden? Andreas Kriegenburg hat Sartres zu seiner Zeit höchst umstrittenes Stück auf die Bühne des Thalia Theater gebracht. Doch statt einem heute wohl unzeitgemäßen Parteigesinnungsdrama ist ein sehr spannendes Stück herausgekommen, das viele Aspekte thematisiert. Es geht um persönliche Lebensinhalte, es geht um politische Strategien, es geht um Führungsstile, es geht um menschliche Beziehungen. Hans Löw spielt die Rolle des Hugo als einen wankelmütigen, schlaksigen Intellektuellen. Hin- und hergerissen zwischen seinem Wunsch nach unbedingter Aktion und seiner Erziehung zum Hinterfragen schwankt er wie ein Fähnlein im Wind. Sein Chef Hoederer wird sehr überzeugend von gepielt. Ein leicht zynischer Politikstratege mit dem unbedingten Willen zur Macht, der sich aber dennoch den Blick für die Menschen um ihn herum bewahrt hat. Helmut Mooshammer ist ein windiger Funktionär, der schon einmal zur handgreiflichen Massage greift, um das Gehirn seiner Mitarbeiten weich zu klopfen. Judith Hoffmann spielt die Gattin grandios flatterhaft, intelligent und lebensgierig. Olga Paula Dombrowski ist eine sehr überzeugende Olga, die ihre Gefühle für Hugo unter dem Deckmäntelchen der akkuraten Parteigenossin versteckt und dennoch erahnen lässt. Birgit Schmalmack vom 3.5.06
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