Moral

Moral: Fehlanzeige
Wenn sich Bewertung des Handelns als gut oder böse überholt hat, was zählt dann noch? Diese spannende Frage stellte sich Juli Zeh in ihrem Buch „Spieltrieb“ und Regisseur Roger Vontobel geht ihr in seiner gleichnamigen Inszenierung im Malersaal nach.
Ada ist ein hochbegabtes Kind, die ihrer alleinerziehenden Mutter (Irene Kugler) viel Kopfzerbrechen bereitet, da sie sich partout nicht für Mode, Frisuren und Figur interessieren möchte. Sie sucht stattdessen nach dem Jetzt. Sie will nur dem Moment leben. Als sie wieder auf eine neue, diesmal eine Privatschule kommt, erregt sie Aufmerksamkeit, weil sie so unbeugsam anders ist. Sie hält sich von den anderen fern und macht sich lieber ihre eigenen Gedanken. Als nach ihr der arrogante Alev (Max Mayer) auf die Schule kommt, meint er in Ada eine Genossin zu erkennen. Zum Zeitvertreib hecken sie sich ein „Spiel“ aus, das für den Lehrer Smutek (Marco Albrecht) zu einer lebensbedrohlichen Gefahr zu werden droht. Gewissensbisse kennen Ada und Alev nicht. Ein wohlmeinender Mitschüler wirft ihnen vor, damit gegen jede Ethik zu verstoßen. Welche Ethik, welche Moral? Für Ada und Alev zählt nur der Kitzel, der Augenblick der Aufregung, der Spaß. Anderen Menschen mit ihrem Spiel zu schaden, ist weder ihr Ziel noch ein Hinderungsgrund weiterzumachen. Doch Smutek ist aus einer anderen Generation: Er nimmt das Spiel ernst. Zuerst sieht er sich schon im Gefängnis, dann auf der Flucht mit der geliebten Ada. Denn das Spiel, das die Vierzehnjährige mit ihrem Lehrer spielt, heißt kalkulierte Verführung.
Regisseur Vontobel macht seine Sichtweise sehr deutlich. Während er manche Szenen ganz im Abstrakten lässt, zeigt er die Sexszenen zwischen Ada und Smutek in aller unmissverständlicher Deutlichkeit. Das verfehlt seine Wirkung nicht: ein sehr aufwühlendes Stück, das kaum kalt lassen kann. Und eine grandiose schauspielerische Leistung aller Beteiligten. Besonders Jana Schulz fand mit unschuldiger Kindfraumiene genau das richtige Maß zwischen kindlicher Spiellust und perfide Lust am Manipulieren.
Birgit Schmalmack vom 4.4.06


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