Eng begrenzte Lebenspfade

Eng begrenzte Lebenspfade
Der zwanzigjährige Andri will seine Freundin Barblin (Marie Leunberger) heiraten, mit der er zusammen in einer Familie aufgewachsen ist: er als jüdischer Pflegesohn und sie als leibliche Tochter. Doch sein Vater verweigert ihm seine Zustimmung. Andri kann sich das nur folgendermaßen erklären: Auch sein Vater ist gegen ihn, weil er Jude ist. Dass er in Wahrheit aber das Resultat einer Affäre seines Vaters und Barblin somit seine Halbschwester ist, hat ihm sein Vater verschwiegen. Stattdessen ließ er seinen Sohn die Diskriminierungen seiner Mitbürger in „Andorra“ ertragen, die ihn immer wieder bescheinigten, ganz anders zu sein. Wenn der Pfarrer Andri versichern will, dass er gerade deswegen so schätze, weil er anders sei, dann entgegnet Andri nur: „Aber ich will nur wie alle anderen sein!“
Darsteller Thiemo Strutzenberger spielt den Andri sehr glaubwürdig als einen schlaksigen Kerl, der durch die Zurückweisung der anderen in eine verkappte Rebellenrolle gestoßen wird. Er muss aufbegehren um nicht unterzugehen und erfüllt damit genau die Andersartigkeit, die ihm sowieso schon von Kindheit an bescheinigt wurde.
Max Frisch zeigt in seinem Stück, wie ein Mensch zu dem wird, wozu ihn seine Umgebung machen will. Regisseurin Tina Link schildert die Zwangsläufigkeit, mit der er schließlich die Rolle annehmen muss, die ihm zugeschrieben wird. Magdalena Gut macht in ihrem Bühnenbild deutlich, wie eng die Wege der Andorraner vorgezeichnet sind: Nur auf schmalen gelben Holzstegen können sie sich bewegen. Begegnungen fallen da schon schwer.
Link erzählt die Geschichte in gestraffter Fassung, die trotzdem viele Aspekte streift: Heimat, Identität, Vorurteile, unterschwelliger und offenkundiger Rassismus. Trotz der kargen, konzentrierten Form kam auch die Unterhaltung nicht zu kurz: Dem komödiantischen Auftritt des Doktors und slapstickartigen Prüfeinlage des Tischlers Prader (Achim Buch) sei’s gedankt. Die vielen Schulklassen im Publikum dankten Link dies mit begeistertem Applaus.
Birgit Schmalmack vom 1.4.06


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