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Es war mir ein kleiner Parteitag!
Wer den Videorekorder will, wird die Videofilme kriegen. Wer die Buntheit des Westens will, wird die Verzweiflung des Westens kriegen. Frei nach Roland Schernikow mag man ergänzen: Wer die Schönheit von Ost-Berlin will, wird auch das Schlangestehen kriegen. Nach seiner Wiedereinwanderung stellt er fest: Die DDR kann auch nerven! Doch er ist eben nicht nur schwul, Schriftsteller sondern auch ein durch und durch überzeugter Kommunist. Er will keine Maus im Rad des Spätkapitalismus mit Levis 501 und Kopfhörer sein. Lieber versucht er das Ökomische Grundgesetzt der DDR auswendig zu lernen. Zwecklos, so fasst er eben es in einem leicht verständlichen Satz zusammen: Alles wird irgendwann besser werden. Schönheit ist eben auch die Hoffnung auf das, was wir uns wünschen. Ein weiterer Grund für seine Übersiedlung war: In der DDR kann ein Schriftsteller den Fragen der Gesellschaft nicht ausweichen. Doch mit dem Fall der Mauer 1989 ist das Unfassbare passiert: Die Konterrevolution hat gesiegt. Nun ist der Kapitalismus scheinbar alternativlos.
Roland Schernikow ist ein ganz besonderer Fall: Mit 6 Jahren im Kofferraum von seiner Mutter über die Grenze geschmuggelt, tritt er im Alter von 16 Jahre in die Kommunistische Partei ein, geht mit 26 Jahren wieder in die DDR zurück, studiert in Leipzig Literatur und beantragt die Staatsbürgerschaft der DDR.
Auch seine Mutter Ilse Binz hatte ihre Prinzipien. Für ihren Sohn war sie in die BRD gekommen, sie wollte ihm seinen Vater zurückgeben. Doch umsonst; der blieb weiterhin eine Leerstelle. Konsequent blieb sie bei ihrer Aussage, die ihr nur Nachteile bei den Behörden verschaffte: Ich bin kein politischer Flüchtling sondern ein privater. 23 Jahre hatte sie versucht eine BRD-Bürgerin zu werden, vergeblich.
Regisseur Bastian Kraft stellt einen Turm (Bühne: Peter Baur) aus Erinnerungsgegenständen Schernikows auf eine drehbare Insel in der Mitte der Bühne. Auf ihr kraxeln vier Schernikows (Thorsten Hierse, Bernd Moss, Elias Arens, Wiebke Mollenhauer) mit langen rotblonden Haaren, einem dünnen Schnauzer und Brille herum. Neben der Insel sitzt Rolands Mutter (Magrit Bendokat) auf einem einfachen Stuhl und berichtet mit knappen, klaren Worten, in denen keine Silbe zu viel gesprochen wird, von ihren Gedanken und Erlebnissen in der BRD. Während ihr Sohn auf seinem Lebensturm herumturnt, sich Liebhaber nimmt, sich mit WG-Genossen über die DDR streitet, mit Freunden wilde Partys im Berlin der Achtziger feiert oder sich mit Peter Hacks über sein Fortkommen als Schriftsteller berät, blickt sie ganz nüchtern auf ihr Leben zurück.
Ein bisschen Ostalgie mit viel ironischer Distanz wird hier in den Kammerspielen des Deutschen Theaters betrieben. Der Unterhaltungsaspekt, den Schernikow in seinem Leben auch nie zu kurz kommen ließ, bestimmt den Tonfall. Immer das Gelungene betrachten, die Schönheit der Hoffnung nie aus dem Blick verlieren war schließlich auch sein Motto. Politisch geht das nie wirklich in die Tiefe. Was Schernikow letztendlich in die DDR festhielt, bleibt auch nach diesem Abend weiterhin nicht ganz durchschaubar.
Birgit Schmalmack vom 21.10.15
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