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I don’t believe in outer space

Zur Kritik von

Tagesspiegel

I don’t believe in outer space

Ich glaube an die Bewegung

Bei Forsythe ist alles in Bewegung. Es gibt keinen Moment, in dem nicht mehrere Dinge gleichzeitig auf der Bühne geschehen. Wie eine Mondlandschaft lassen die vielen schwarz glänzenden Tapekugeln den Boden der K6 wirken. Wie kleine Lava-Stolpersteine liegen die auf der Bühne. Doch ein leichter Kick und sie fliegen durch den Raum.
„As if“ ist das erste Thema. Immer wieder schlüpft jemand in die Rolle eines anderen. Dana Caspersen spielt zugleich das Gute und das Böse in ihrer Begegnung mit dem Angst einflößenden Nachbarn aus David Lynch Film. Wie ein glipperiges, amorphes Wesen schlingt sie sich dabei um sich selber. Auch sie Tänzer verschieben die Realitätsgrenzen. Sie bewegen die Lippen zum Text eines anderen. Werden die Worte zunächst live gesprochen, sind sie plötzlich auch ohne Mikro zu hören. Kamen sie die ganze Zeit vom Band?
Eine ständige Verunsicherung, was hier real ist und was nicht, wir hier betrieben. Sind die Kugeln nun eher Explosionskugel oder Lavabrocken, sind sie Spielbälle oder Goldklumpen? Forsythe wirft die Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle. Witz wechselt mit Ernst, Action mit Ruhe, Übertreibung mit Konzentration, Gruppengewusel mit konzentrierten Pas de deux. Bald winden sich die Tänzer in schlackerigen Verrenkungen umeinander und springen in wildem Durcheinander über die Bühne, bald umkreisen sich zwei in ernsthaftem Ausloten der möglichen Gemeinsamkeiten. Um das Leben mit all seinen Facetten und um die Zufälle, die seinen Fortgang und sein Glück oder Unglück bestimmen, geht es. Um die Gleichzeitigkeiten, die das Leben so unübersichtlich werden lassen und die die Fokussierung erschweren. Um die Fakes, die es zu erkennen gilt, damit die richtigen Wegkreuzungen ausgewählt werden können.
Forsythe ist ein Meister der mitreißenden begeisternden Inszenierungsvielfalt. Seine wunderbaren Tänzer faszinieren in jedem Moment. Spannung erzeugt er mit scheinbarer Leichtigkeit durch zahlreiche kontrapunktisch angelegte Überraschungen. „I will survive“, verkünden die Tänzer in etlichen Variationen. Denn in dieser sehr persönlichen Arbeit geht es dem 63-jährigen Forsythe auch um den Tod und darum, ihm durch das „In-Bewegung-Bleiben“ ein Schnippchen zu schlagen. So treibt die live eingespielte Musik von David Morrow mit verfremdeten Bachmotiven neben Pop- und Rockanklängen die schlangenhaften Verrenkungen der Tänzer zu immer neuen Höhepunkten an.
Birgit Schmalmack vom 3.12.12

Abbildung: A Quiet evening of Dance - Copyright: Bill Cooper 

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