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Salon 89, Sophiensäle
Gazino Berlin, Heimathafen
Bridge Markland + Gäste: queens + kings, AHA
Ein neues Zuhause?
100 Bücher, die im Garten seiner Großmutter vergraben waren, wurden für Mahmut zu einer unerwarteten Inspirationsquelle. Er lernte nicht nur jede Menge über kommunistische und sozialistische Gesellschaftsentwürfe, sondern konnte fortan vor Verwandten und Nachbarn in seinem kurdischen Dorf Vorträge über Feminismus halten. Doch genau diese verbotenen Bücher brachten ihn auch für fünf Jahre ins Gefängnis. Nach etlichen vergeblichen Versuchen gelang ihm endlich die Flucht und er versteckte sich weitere fünf Jahre in den Bergen, bis er in Deutschland Asyl beantragte.
Heute zeigt er auf der Bühne des MUT-Theaters hinter sich die Kopie seines deutschen Personalausweises. Doch eher als Deutschland ist der "Wagen 10" der Deutschen Bahn für den Pendler Mahmut Canbay zu seinem neuen Zuhause geworden. Was der deutsche Sitznachbar lautstark bestreitet. Mahmuts hochgelegte Füße werden zu einer Streitfrage, die ihn auffordert sich entweder an die deutschen Sitten anzupassen oder wieder zurückzugehen.
Der Theaterleiter Mahmut Canbay des MUT-Theaters in der Schanze erzählt exemplarisch für viele seine eigene Flüchtlingsgeschichte. Es ist eine Geschichte über Verfolgung, Folter, Gefängnis, Flucht und Todesgefahr. Es ist aber auch eine über erlebte Sicherheit, aktive Integration und gefundene Meinungsfreiheit. Und eine über viele Fragen, die bleiben. Wann ist man angekommen? Wann kann die Sprache, die Musik, die Tänze und die Lieder endlich ganz die eigenen Gedanken ausdrücken? Canbay kann eine Geschichte des Ankommens und der Verarbeitens erzählen. Seine Geschichte kann ein Beispiel sein für die vielen Geschichten anderer Angekommener und Ankommende, die noch zu erzählen wären.
Birgit Schmalmack vom 13.3.16
Abbildung: Wagen 10 - im Mut-Theater