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Musiktheater mal anders
Neues Musiktheater, das das Hören zu einer neuen Kunstform erhebt, an ungewöhnlichen neuen Orten zu präsentieren hat sich Stimme X vorgenommen. An ihrem Eröffnungsabend im Lichthof zeigten die Organisatoren Hans-Jörg Kapp und Frank Düwel ein abgeschlossenes Werk und ein Tryout: „No Show“ des Komponisten Ernst Bechert und „Wir, wir, wir“ von Benjamin von Bebber und Leo Hofmann. Bei der Werkstattinszenierung war zu erahnen, wohin die Reise von Bebber und Hofmann auf Grundlage des Textes von Derrida „Politik der Freundschaft“ gehen konnte. Die Verantwortung, die jeder für sich selbst, für den anderen und letztendlich das Wir zu übernehmen hat, versuchten die beiden durch sparsame Bewegungen im Halbkreis der Zuschauer zu versinnbildlichen. Noch zeigte der Spannungsbogen, den die beiden Performer zu erzeugen versuchten, einige Einbrüche. Doch z.B. der Einfall den offenen Mund der anderen zum Erzeugen eines Halls der eigenen Stimme zu nutzen, lieferte ein Bild von Nähe, Gemeinsamkeit und Freundschaft, das interessierte.
Ein absurdes Weltuntergangs-Theaterstück von Tim Etchell bildet die Grundlage für „No show“. Die Sprecherin Cornelia Kempers trägt mit sonorer, Geheimnis umwobener Stimme die unglaublichen apokalyptischen Geschehnisse auf der imaginären Bühne vor. Atomunfälle, Gewaltexzesse und kurze Hoffnungsphasen der Alltäglichkeiten bilden die Szenenfolge in mehreren Akten. Bechert erzeugt dazu elektronische Geräusche, Klänge und Rhythmen und Theo Janßen projiziert surreale und scheinbar alltägliche schwarz-weiße Filmsequenzen auf die Leinwand. Das ergibt eine kunstvolle Gesamtkomposition, bei der sich die Elemente Stimme, Text, Musik und Film gegenseitig unterstützen, in Frage stellen, kommentieren und ironisieren. So kann Musiktheater neue Klang-, Bild- und Denkräume eröffnen, die sich auch jenseits des rein intellektuellen Verstehens auftun.
Birgit Schmalmack vom 15.11.14
Abbildung: Stimme X - von Kapp und Düwel