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Die Seelen der Toten
Gerade noch stand Jeff Zach in Schlips und Kragen aufrecht und energiegeladen außerhalb des Lichterkettenkreises, jetzt sinkt er in dem Lehnstuhl zusammen und altert in Sekundenschnelle zu einem Neunzigjährigen. Seine Schultern hängen, sein Körper krümmt sich, seine Gesichtszüge fallen ein. Wilhelm Kleinholz wird in dem Lichterkreis ein Geständnis ablegen. Es wird seine letzte Äußerung sein. Den nächsten Morgen wird er nicht mehr erleben. Endlich konnte er sein Lebensgeheimnis loslassen. Wilhelm gehörte einst zum Geeheimbund der Trauerviolinisten. Er sorgte mit seinem Geigenspiel dafür, dass die Seelen der Toten ihren Weg ins Himmelreich finden. Doch dann lernte er die schöne Ludmilla kennen und er tauschte seine verantwortungsvolle Aufgabe gegen die Unterhaltung der Reichen und Schönen. Das hat er sich nie verziehen. In dem berührenden Spiel von Zach wird der Schmerz dieses alten Mannes, der davon überzeugt ist einen großen Verrat an der Schur der Trauerviolinisten, den Toten, der Musikkunst und seinem Lehrer verübt zu haben, überaus nachvollziehbar. Dem Alten laufen die Tränen übers Gesicht, wenn er mühsam versucht mit seinen Gichtfingern den Plattenspieler zu erreichen, um die „Traurigste Musik der Welt“ zu spielen.
Nach der Pause kommt Zach in Frauenkleidern auf die Bühne. Ein zum Tode Verurteilter veranstaltet an seinem letzten Abend eine kleine Show für seine Mitgefangenen. Zach folgt ihm ganz in dem Inszenierungswillen. Während sein Text vom Band läuft, stellt er sich in Minirock und Leopardenbluse ans Mikrofon, sagt keinen Ton und bewegt sich nur mit mikrokleinen Gesten. „Das ist für alle...“ beginnt jeder der aufgezeichneten Sätze. Hier taucht das Wiederholungsritual aus der Trauermusik von Kleinholz wieder auf. Schraubenartig drehen sich die Sätze in die Köpfe der Zuschauer und langsam entstehen aus ihnen Bilder von seiner möglichen Geschichte. Von seiner Ehe mit seiner eigenen Mutter, von der Ermordung seiner Familie, von Selbstmordversuchen und einem verpfuschten Leben ist die Rede. MeyerKowski arbeitet mit sehr unterschiedlichen Mitteln für die beiden Geschichten. In der Eindringlichkeit unterscheiden sich allerdings nicht. Beide brennen sich in Bauch und Herz ein.
Birgit Schmalmack vom 2.11.12
Abbildung: Das letzte Lied - vom MeyerKowski im Lichthof
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