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In Afrika die Ruhe finden
Eigentlich wollte Io (Charlotte Pfeifer) mit Schlingensief und mit seinem Wunsch in Afrika begraben zu sein, um endlich seine Ruhe zu finden, anfangen. Stattdessen beginnt „What’s this business with africa?” im Lichthof nun mit einer offenen Versuchsanordnung. Sechs Künstler sind auf der Bühne versammelt: eine Schriftstellerin, ein Musiker, zwei Schauspieler, ein Tänzer und eine Theatermacherin. Zwei sind schwarz, vier sind weiß. Um eine Suche nach der Suche soll es gehen, um Wurzeln, um Grenzen, um Klassen, um Hautfarben, um Kontinente und um Heimat.
Io führt im glänzenden Partykleidchen und rosa Pumps durch ihren Abend. Sie will nach 14 Jahren Abwesenheit den Kontinent ihrer Kindheit wieder sehen. Ihre Eltern hatten sich kurz nach ihrer Geburt in Südafrika nieder gelassen. „Genau der richtige Platz“, verkündet der Mann (Jens Weisser) in Safaridress mit kurzen Hosen. „Und völlig ungenutzt!“ Er wirkt wie Mischung aus Entdecker, Missionar, Kolonialist und Künstler a la Schlingensief. Io genoss hier eine verwöhnte Kindheit mit vielen dienstbaren Geistern, die Namen trugen, die ihre weißen Herren ihnen gaben.
Io, das Alter Ego der Regisseurin Maryn Stucken, will eigentlich eine einfache Geschichte erzählen. Eine Geschichte um eine Frau zwischen zwei Männern im Casablance-Style schwebt ihr vor. Dazu lernt Io bei einem Theaterprojekt in Johannesburg den schwarzen Duke (Sönke C. Herm) kennen. Die beiden umtänzeln sich, Duke wirft Io gekonnt über die Schulter. Dabei wartet zu Hause in Norddeutschland auf Io Abraham (Abi Wallenstein). Abraham, der neben den deutschen auch jüdische Wurzeln hat, der nach einem Aufenthalt in Israel jetzt im Land der ehemaligen Täter lebt und der eine Liebe ohne Besitzansprüche praktiziert. Ganz anders als Duke, der tausende Kilometer entfernt männlich zupackend Io erobert, während Abi leise lächelnd an seiner Gitarre zupft.
Io will beweisen, dass die Dünkel und den Rassismus ihrer Eltern überwunden sind. Sei will eine Liebe zwischen zwei Kontinenten, die Hautfarben und Klassenunterschiede überwindet möglich machen. Doch sie scheitert. Die Spannungen, Vorwürfe, Schuldzuweisungen zwischen dem schwarzen Mann aus den Townships und der reichen Weißen aus der Farmvilla werden zu unüberwindlichen Grenzzäunen. Sie kehrt nach Deutschland zurück, zum ruhig abwartenden Abi.
Der „einfachen“ Lovestory stehen die anderen Künstler wohltuend im Wege. Sie streuen ungefragt ihre bissigen und sachkundigen Kommentare ein. Die Schriftstellerin (Lebo Masemola) will die Grenzziehungen und Grundrisse der menschlichen Strukturen mit ihren eigenen Worten erfassen. Sie schöpft dazu das Wortmaterial aus vier Sprachen. Der schwarze Ingenieur und Schauspieler (Gilbert-André Ehoulan) aus Hamburg-Harburg hält den Wanderstab zur Weiterreise stets bereit. Der Musiker legt all sein Gefühl in die jazzigen Balladen und der Tänzer nimmt sich seinen Raum mit weit ausgreifenden Schwüngen.
Das Stück, dessen Textfassung Oliver Gorf schrieb, jongliert geschickt mit dem Spiel um Wahrheit und Fiktion. Biografische Teile wechseln mit fiktionalen. Aus der eigenen Spurensuche einer Frau wird unter der Regie von Maryn Stucken eine bewegende, vielschichtige Hinterfragung gesellschaftlicher Grenzziehungen.
Von Birgit Schmalmack
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